Gut "breraten"?

Der Alfa Brera im Test

Motor
14.01.2009 13:31
„Der Brera ist insgesamt viel sportlicher, der GT ist mehr Pkw“, sagte mir der freundliche Händler, der mir den knallroten Alfa Romeo zum Test übergab. Während ich auf den Schlüssel wartete, hatte ich kurz im GT Platz genommen. Aha, ein richtiger Sportwagen ist der Brera also, dachte ich mir. Jedenfalls vor dem Test.
(Bild: kmm)

Danach muss ich diesen Gedanken leider relativieren. Ja, der Brera sieht sportlich aus, ja, Alfa hat ein sportliches Image und ja, eine gewisse Faszination strahlt der Brera schon aus, aber von einem Sport-Coupé mit dem Alfa-Logo am Wappengrill erwarte ich mir etwas anderes. 

Dick aufgetragen, viel versprochen
Allein die zwei verchromten Doppelauspuffrohre verheißen Großes. Doch was einen fetten Achtzylinder vermuten lässt (oder zumindest einen starken Sixpack), bläst die (serienmäßig gefilterten, bravo!) Abgase eines 2,4-Liter-Diesels raus. Dick auftragen ist überhaupt eine Kunst, die der Brera gut beherrscht. Der Motor klingt richtig mächtig, wenn man ihm die Sporen gibt; im Stand vibriert das ganze Fahrzeug; ein Freund der leisen Töne ist er nicht. Aber das ist jemand, der sich in einem Alfa befindet, ohnehin eher selten.

Schade nur, dass das 200-PS-Triebwerk mit seinen 400 Nm keinen wirklich sportlichen Fahrspaß aufkommen lassen will. Unter 2.000 Touren rührt sich ein laues Lüftchen, das darüber Sturmstärke bekommt. Der Sturm ist deutlich zu hören, hat allerdings mächtig mit den knapp 1,7 Tonnen EU-Leergewicht (inkl. Fahrer und Flüssigkeiten) zu kämpfen. Schnelles Abbiegen aus einer Einmündung erstickt beim Anfahren im Drehzahlkeller, Spitzkehren werden (vor allem bergauf) zur Geduldsprobe – und zur Belastungsprobe für die Vorderreifen, die Traktionsprobleme bekommen. Dass sich Alfa von der Tugend des Heckantriebes verabschiedet hat, ist ja schon einige Jährchen her.

Um schnell unterwegs zu sein, muss man fleißig im Sechsganggetriebe rühren, das zum Glück bestens zu bedienen ist. Nur beim Herunterschalten vom fünften in den vierten Gang sträubt es sich im Test etwas. Bei schnellem Rühren verspricht Alfa Romeo eine Beschleunigung von 8,1 Sekunden von 0 auf 100, was sich subjektiv wohlmeinend anfühlt, 228 km/h werden als Höchsttempo angegeben.

Komfort statt Sport
Das Fahrwerk ist für ein sportlich orientiertes Auto (und das will der Brera ja sein) erstaunlich weich und komfortabel, die bequemen Sitze bieten zwar eine gute Sitzposition, aber den zum Fahrwerk passenden Seitenhalt, nämlich wenig (Sitzfläche) bis keinen (Rückenlehne). Seitenhalt nach links bietet der Alutürgriff, was meinen Oberschenkel weniger freut. Dafür sehen die Sitze schön sportlich aus, womit wir wieder beim dick Auftragen sind.

Apropos: Ein optisches Highlight ist die gebürstete Alu-Front an der Mittelkonsole mit drei kleinen Rundinstrumenten und ebenso vielen Lüftungsausströmern. Die Lüftungsbedienung dagegen ist hinter dem Schalthebel versteckt und dadurch schlecht zu bedienen. Die beiden klassischen Alfa-Rundinstrumente, also Tacho und Drehzahlmesser, sind das einzig Dezente an diesem Auto; sie sind eher fein gezeichnet und dadurch tagsüber nicht optimal ablesbar. Der rote Drehzahlbereich  könnte auch deutlicher sein.

Nett für die Optik, aber in Wahrheit blanker Unsinn ist das Sonnendach (serienmäßig in der Version Sky Window, in der auch etwa Leder inkludiert ist). Es lässt Licht rein, ist aber nicht zu öffnen und beschneidet die Innenraumhöhe deutlich. Groß gewachsene Fahrer (so wie ich!) fühlen sich folglich beengt. Ein Gefühl, das durch die schlechte Sicht nach hinten seitlich sicher nicht besser wird.

Im Alltagsbetrieb stören mich noch ein paar Dinge mehr: Der Kofferraum ist nur per Schlüsselfernbedienung zu öffnen – oder mit einem Knopf unter dem Deckel des kleinen Faches zwischen den Vordersitzen. Letzteres funktioniert allerdings nur bei eingeschalteter Zündung. Es gibt praktisch keine Ablagemöglichkeiten, das Mini-Fach in der Tür hätte man sich ganz sparen können. Und die Fensterheber-Knöpfe liegen so weit hinten, dass ich Arm und Hand verrenken muss, um sie zu bedienen. Dafür gehen die Fenster weiter zu, wenn man „unterwegs“ den Motor abstellt. 

Die Verarbeitung macht am Testwagen einen guten Eindruck, wenn auch mit leichten Abstrichen: Aus der Fahrertür dringt auf schlechter Straße ein Klappern. 

Fazit:
Der Alfa Brera ist ein wirklich schönes Auto mit überragendem Überholprestige. Doch diese Vorschusslorbeeren verspielt man auf der Überholspur leicht, weil was hier sportlich aussieht, nicht ernsthaft sportlich ist. So bleibt der Brera also das richtige Fahrzeug für Singles, die gerne sportlich wirken und ebenso gerne etwas dicker auftragen, es aber in ihrem tiefsten Inneren lieber ruhig angehen lassen.

Stephan Schätzl

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(Bild: kmm)



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