Design-Fähre

Der Opel Insignia Sports Tourer im Test

Motor
01.05.2010 15:24
Sein oder nicht sein hieß es bei Opel längere Zeit. Nun heißt es eher: Design muss sein. Der Insignia Sports Tourer ist ein Kombi, der sich aus der Masse abhebt, durch sein elegantes Äußeres wie auch Inneres. Ob die inneren Werte mit den äußeren Reizen mithalten können, das soll er in der Ausstattungsversion Cosmo mit 160-PS-Diesel zeigen.
(Bild: kmm)

Man muss schon sagen, die Insignien dieses Kombis sind Design und Style. Das böse LED-Gschau aus Scheinwerfern mit hochgezogenen Augenbrauen macht Audi Konkurrenz, die Chromspange am Heck macht auf dicke Hose, die Heckleuchten liegen irgendwo zwischen Audi A4/A6 und Citroen C5, und die elegante Linie des Wagens spricht die Nerven des guten Geschmacks an. Dass in den Kofferraum 320 Liter weniger als beim  Vorgänger Vectra Caravan reinpassen, nimmt man bei Opel in Kauf. Sollen doch andere den Lademeister spielen, 540 bis 1.530 Liter müssen reichen und sind auch nicht mickrig. Opfer des Designs sind allerdings die Außenspiegel: zu klein, spitz zulaufend und verzerrend. Der Blick nach hinten ist auch ohne Spiegel schwierig, Parksensoren sind unabdingbar.

Große, fette Klappe
Noch mutiger als die Verringerung des Ladevolumens ist jedoch die seeehr lange Ladekante, wahrscheinlich die längste aller Kombis überhaupt. Das ist nicht gut fürs Kreuz oder für den Lack. Auf der ausufernden Kante kommt die ebenso überdimensionale Heckklappe zu ruhen. Wenn sie sich öffnet (bei Cosmo serienmäßig elektrisch und in der Öffnungshöhe programmierbar), schwenkt gefühlt das halbe Heck hoch. Der Insignia wirkt dann wie eine Fähre, deren Bug komplett nach oben klappt. Genial ist die Laderaumabdeckung, die in einer Schiene läuft und einfach einklickt.

Im Innenraum fällt besonders der harmonische Übergang von der Armaturenkonsole in die Türverkleidungen auf, u.a. mit einer Klavierlackleiste, die sich aus einer Tür unter der Frontscheibe entlang bis in die andere Tür schwingt; das riecht schon fast nach Premium. Materialien und Gestaltung widersprechen diesem Eindruck nicht – außer man senkt den Blick leicht nach unten: Da schabt das Auge dann an billigem Kunststoff. Und nicht nur das Auge, auch der linke Fuß des Fahrers. Der bleibt an der Verkleidung, neben der er während der Fahrt geparkt wird, geradezu hängen. Zu diesem Plastik passt der Sound beim Zuschlagen der Türen.

Der Sound des Motors ist da schon besser. Zwar ist der Vierzylinder weit entfernt vom Verheimlichen der Treibstoffart, dieselt aber in erträglichem Rahmen und wird auf der Autobahn von Windgeräuschen  übertönt. Verwöhnte Ohren sollten übrigens auf die Automatik verzichten, mit ihr klingt der Motor ständig unnatürlich und überlastet. Außerdem findet sie die richtige Fahrstufe nicht immer mit traumwandlerischer Sicherheit. Sie passt weder zum sportlich-stylischen Auftreten des Insignia, noch zu dessen fahrdynamischen Qualitäten.

Adaptives „FlexRide“-Fahrwerk
Vor allem mit dem aufpreispflichtigen adaptiven „FlexRide“-Fahrwerk ist der Insignia Sports Tourer allen Situationen gewachsen. Auf Knopfdruck wechselt er zwischen „Sport“, „Tour“ und Normalstatus, passt die Einstellungen aber auch ständig flexibel an die Gegebenheiten und Bedürfnisse an. Die Lenkung hinter dem sehr griffigen Lederlenkrad ist sehr direkt und leichtgängig ausgelegt, leider auch recht gefühllos; Feedback gibt sie im Wesentlichen dann, wenn die Vorderräder nach Traktion scharren. Auch die Bremse ist etwas schwammig zu dosieren. Das Fahrverhalten des Insignia ist dagegen prächtig, der 4,91 m lange 1,7-Tonner verhält sich auffallend lange neutral, bevor er dann sanft ins Untersteuern geht. Dabei hat er durchaus auch Komfort zu bieten. Der Qualitätseindruck auf Holperstrecken hat aber noch Spielraum nach oben, hier poltert die Vorderachse etwas und aus dem Gebälk des Testwagens ist das eine oder andere Vibrieren zu vernehmen.

Sportlichen, aber auch komfortorientierten Ansprüchen gerecht werden die Sitze. Sie bieten guten Seitenhalt und ermöglichen auch langes Reisen. Auf kalter Kurzstrecke hilft die serienmäßige Heizungsverstärkung in den Dieselversionen. Die Bedienung des Fahrzeugs hat man nach kurzer Eingewöhnung im Griff, ist aber kein Ausbund an Genialität. Die  Mittelkonsole ist mit Knöpfen überladen, diese neigen sich auf der rechten Seite vom Fahrer weg, der Tacho ist zwar schön, seine Ziffern aber zu klein geraten. Die Leseleuchten blenden den Fahrer (beide), die Scheinwerferreinigungsanlage spritzt so spät, dass sie die Windschutzscheibe „einsaut“, nachdem die Scheibenwischer ihren letzten Wischgang hinter sich haben. Und die Belegung des Multifunktionslenkrades ist verquer. Etwas mehr Ablagen wären auch fein. Der Stereosound gibt dagegen gut auf die Ohren, die Anlage gibt auch keine Rätsel auf.

Optional Verkehrszeichen-(V)Erkennung
Das Adaptive Fahrlicht ist eine tolle Erfindung. Es stellt sich automatisch auf die Umgebung ein und verändert den Leuchtkegel. Neun verschiedene Situationen sind programmiert, da dürfte alles abgedeckt sein. Weniger gut funktioniert im Testwagen die Verkehrszeichenerkennung: Sie zeigt meist nur das Ende eines Überholverbotes an – auch wenn ein Tempolimit auf dem Schild steht.

Dennoch: (Nicht nur) Mit dem Insignia Sports Tourer ist Opel auf einem  guten Weg. Den Charakterhintern muss man sich erst mal trauen! Der Designkombi ist wohlgeraten, mit Nacharbeit an Details wäre sogar ein Premiumeindruck möglich – den ich mir bei einem Testwagenpreis von knapp 45.000 Euro auch erwarten würde. Da verzichte ich lieber auf Verkehrszeichenerkennung. Wobei: Was die Ausstattung betrifft,  ist der Insignia voll dabei. Ideen haben sie in Rüsselsheim, Geschmack auch.

Stephan Schätzl

Warum?

Schnittiges Design.

Nicht weit entfernt von den Premiummarken.

Neutrales Fahrverhalten.

Warum nicht?

Der doch recht hohe Testverbrauch von 9,5 Litern.

Es ist dann doch noch ein Abstand zum Premium, der sich noch stärker im Preis niederschlagen dürfte.

Oder vielleicht …

… ein anderer Diesel-Kombi. Opel sieht sich wohl bei Audi, ich sehe eher Mazda, Renault oder Citroën.

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(Bild: kmm)



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