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Harley-Davidson Heritage Softail im Test

Motor
14.01.2009 14:05
Harley-Davidson ist nicht nur eine Motorradmarke, es ist ein Mythos. Und der wird verkörpert durch jede einzelne Maschine, die da auf zwei Rädern durch die Gegend fährt oder im Museum steht. So auch durch die Heritage Softail, die eine Woche lang den Marlon Brando in mir geweckt hat.
(Bild: kmm)

Nicht ungewöhnlich für einen Mythos: Die Heritage ist ein Anachronismus in sich, und manches würde man einem modernen Motorrad schlicht nicht durchgehen lassen. Sie könnte ebenso gut vor 20 Jahren gebaut worden sein, wenn es den „Twin Cam 88“-Motor nicht erst seit 1999 gäbe. Noch ein Zugeständnis an die Neuzeit: die Alarmanlage inklusive Wegfahrsperre, die per Funkfernbedienung aktiviert wird.

Man muss kein Bär sein
Schon beim Aufsitzen kommt ein bisschen das Easy-Rider-Feeling auf. Mit einem Schlüsselchen (wie etwa bei einem Computer-Schloss) werden Lenkung und Zündschalter aufgefummelt. Eigentlich hätte ich einen riesigen Kickstarter erwartet, doch ein Knopfdruck ersetzt das Beintraining und startet den 1.449 cm³ großen 45°-V-Twin. Der tuckert sofort ruhig vor sich hin, Vibrationen gibt es kaum. Irgendwie fühlt sich alles eine Nummer kleiner an, als es aussieht. Auch das Gewicht (Achtung Physikfreaks: genau gesagt die Masse) von immerhin 307 Kilo spürt man kaum. Man muss kein Bär sein, um sich mit diesem Motorrad zu spielen. Erste Wahl also für Bräute, die es satt haben, als Sozia immer auf dem Schleudersitz zu hocken (der ist bei der Softail auch nicht wirklich zu empfehlen).

Ach ja, ein bisschen Eitelkeit kann nicht schaden: Der herrliche verchromte Scheinwerfer ist so günstig angebracht, dass man während der Fahrt ständig sein eigenes Spiegelbild betrachten kann, wie es da über dem Lenker thront. Besser als jeder Schminkspiegel in der Sonnenblende.

Ausgleichende Gerechtigkeit
Der ruhige Motorlauf ist übrigens ein Verdienst der Ausgleichswellen im weiter entwickelten „Twin Cam 88B“-Motor (das "B" steht für deren englische Bezeichnung: balancer), der als integraler Bestandteil des Fahrwerks starr in den Rahmen geschraubt ist. In Modellen ohne "B" in der Motorbezeichnung wird der Motor schwingungsmäßig entkoppelt.

Was heißt eigentlich Softail?
Kurz gesagt: Softail soll aussehen wie Hardtail, aber ein bisschen Komfort bieten. Die klassischen Harleys sind zumeist Hardtails gewesen, hatten also ein Starrahmen-Chassis, da das ungefederte Heck eine besonders schnörkellose Linienführung und eine extrem geringe Sitzhöhe zulässt. 1984 versuchte Harley Davidson, Komfort und Optik unter einen Hut zu bringen, Softail war die Lösung: Hier sitzt das Hinterrad in einer Dreiecksschwinge aus Stahlrohr; die beiden Federbeine sind waagerecht unter dem Motor versteckt und sorgen dort nahezu unsichtbar für Federungskomfort.

Und der ist gar nicht mal so schlecht, wenn man nicht gerade mit 50 km/h über eine Wiener Stolperschwelle brettert. Die bekommt man dann nämlich direkt in die Wirbelsäule gepresst. Aber die Heritage ist ja auch eher zum gemütlichen Gleiten gebaut, alles andere wird durch das sehr weiche Fahrwerk und die Fußrasten eingebremst, die eigentlich ständig die Straße küssen. Eine Woche länger und ich hätte mit den Rasten beim Rasten eine Scheibe Brot abschneiden können.

Gleitzeit
Wirklich schnell fahren will man sowieso nicht. Sie könnte es zwar - immerhin beschleunigen die 64 PS die 320 kg plus Fahrer auf bis zu 180 km/h, wenn es sein muss, und 102 Nm Drehmoment bei 3.500 Touren können auch was – aber alles ab 130 ist wirklich stressig. Außerdem hat das Testbike bei 120 die Ohren angelegt, was zwar vielleicht luftwiderstandstechnisch was bringt, aber den Nachteil hat, dass an den Ohren die Rückspiegel montiert sind.

Aber diese kleinen Unzulänglichkeiten verzeiht man dieser Harley ebenso wie den fehlenden Drehzahlmesser oder die ungenaue und im Regen beschlagende Tankanzeige. Und die Bremsen. Sie sind immerhin besser, als wenn man die Füße auf den Boden presst. Nein, so böse muss man das nicht sagen. Aber ein Ausbund an Verzögerung sind die Einscheibenbremsen nicht. Dafür sind die Drahtspeichen wunderschön.

Die Heritage Softail beschränkt sich auf das Wesentliche – auch eine Art von Luxus. Besonders bei einem Preis von über 21.000 Euro.

Stephan Schätzl

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(Bild: kmm)



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