Vier gewinnt

Kawasaki Versys: Streetfighter der Reiseschiffklasse

Motor
08.10.2012 10:03
Es ist wie bei den Autos: "SUVs" boomen auch bei den Motorrädern, wo das Segment von BMWs R 1200 GS angeführt wird. Dieses Jahr ist auch Kawasaki auf den (Reise-)Dampfer aufgesprungen und hat die Versys 1000 herausgebracht, die anders als alle Konkurrenten von einem Reihenvierzylinder angetrieben wird – und gar nicht erst so tut, als wäre sie fürs Gelände geeignet.
(Bild: kmm)

Der Marketingspruch "Roads less travelled" zeigt den Weg, nämlich den auf entlegene Straßen statt abseits davon, sonst müsste es ja "roadless travelled" heißen. Der Hersteller bezeichnet sie auch explizit nicht als Reiseenduro. So gesehen entspricht die Versys einem SUV mit Frontantrieb, der zwar gewisse nützliche Qualitäten mitbringt, aber im Dreck nicht wesentlich weiter kommt als ein normaler Pkw. Da stört dann weder die vergleichsweise geringe Bodenfreiheit noch der breite Motor noch der fehlende Unterfahrschutz dafür.

Auf der Habenseite stehen also: angenehm hohe Sitzposition, entspannter Kniewinkel, bequeme Sitze für Fahrer und Sozia, ein manuell verstellbarer Windschild, auch wenn der gerne größer sein dürfte. Gegen Aufpreis gibt es sogar einen Handschutz und Motorschutzbügel. Und einen Hauptständer, der nicht stört. Gut dass die Japanerin einen Nachteil der meisten Vertreter der Reiseenduro-Fraktion nicht teilt: Sie wiegt nur 239 kg, was beim Spaßfahren durch enge Wechselkurven Gold wert ist.

Die Versys fühlt sich extrem wendig, fast schon nervös an, lässt sich zielgenau durch die Radien zirkeln und legt es vom Fahrwerk her durchaus sportlich an. Die Upside-Down-Gabel mit 43 Millimeter Durchmesser erweist sich durch ihre straffe Abstimmung als weiterer Pluspunkt. So vereint die Kawasaki Wendigkeit mit guter Lenkpräzision, was den sportlichen Tatendrang fördert. Nur das Federbein könnte mehr Dämpfungsreserven vertragen, es federt in Bodenwellen weit ein. Zwar lässt sich die Federbasis per Handrad mühelos anheben, Einstellmöglichkeiten für die Druckstufe bietet es aber keine.

Z1000-Motor als Antrieb und in den Genen
Das Triebwerk entstammt dem Streetfighter Z1000, leistet hier aber mit 118 PS deren 20 weniger, weil man bei Kawa mehr Wert auf Kraft unten herum legt. 102 Nm bei 7.700/min. sind es geworden. Damit ist die Versys keine Drehmomentkönigin, langweilt bei niedrigen Drehzahlen aber keineswegs und dreht oben raus gewohnt frei auf, bis sie bei knapp 10.000 Touren im Begrenzer landet. Ab 5.000/min. spendet der Sattel eine Vibrationsmassage für den Allerwertesten.

Das Gefühl während der fröhlichen Fahrt ist ungewöhnlich, denn Optik und Sitzposition würden so etwas wie ein Zweizylindertuckern erwarten lasse, tatsächlich hört und fühlt es aber sich immer so an, als hätte man eine Z1000 unter dem Hintern. Streetfighter-Feeling in der Reiseschiffklasse. Denksport für das Gehirn, zwischen zwei Kurven.

Die Elektronik hat die Versys 1000 mit der ZZR1400 gemein. Neben ABS verfügt sie über die dreistufige Traktionskontrolle, und auch die Motorleistung lässt sich im Menü blitzschnell drosseln. Das macht bei dem 210-PS-Boliden mehr Sinn, so oft wird man nicht auf nassschlammigen Gebirgsstraßen oder im Schnee unterwegs sein, dass die Traktionskontrolle nicht ausreichen würde. Da würde ich mir eher eine sanftere Gasannahme wünschen.

Das Wichtigste für die große Reise
Der Reisetauglichkeit der Versys 1000 trägt Kawasaki mit gegen Aufpreis erhältlichen Seitenkoffern samt Topcase Rechnung (2 x 35 bzw. 47 Liter). Lästig ist allerdings, dass man dann zwei zusätzliche Schlüssel braucht und die Schlösser der Gepäckbehälter nicht nur hakelig, sondern auch generell nur mit Schlüssel zu öffnen und zu schließen sind. Das Gestänge, an dem die Koffer befestigt werden, ist übrigens fest montiert.

Das Instrumentendisplay bietet im Prinzip alles, was man für die Reise braucht, außer einer Ganganzeige. Es ist per Wahlschalter am Lenkerende zu bedienen und beinhaltet so wertvolle Informationen wie Außentemperatur und Reichweite. Letztere allerdings nur theoretisch, denn in der Praxis ist sie derart ungenau, dass man sie sich eigentlich auch sparen könnte. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn sie von 70 auf 180 Kilometer springt – und wieder zurück. Zudem verweigert sie den Dienst, wenn die Tankanzeige Reserve anzeigt. Die Reichweite selbst ist hingegen tadellos, bei fünfeinhalb Liter Verbrauch reicht der 21,5-Liter-Tank völlig aus.

14.699 Euro ruft Kawasaki für den leichten Reisedampfer auf, der so ganz anders ist als die etablierte Konkurrenz. Die Versys 1000 ist keine vordergründige Schönheit und auch das Konzept ist ein ungewöhnliches. Aber sicher kein Fehler.

Warum?

  • Ein ehrliches Gerät, das keine Geländetauglichkeit vorgaukelt
  • Gutes Handling
  • Gute Reisetauglichkeit

Warum nicht?

Umständlich zu bedienende Koffer

Oder vielleicht …

… irgendwas anderes aus dem Fundus zwischen Honda Crosstourer, GS und Ducati Multistrada

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(Bild: kmm)



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