Exot unterwegs

Mit der Buell XB12X Ulysses erzittert die Welt vor mir

Motor
12.10.2011 18:35
Ha! Vor mir erzittert die Welt! Der Gedanke schießt mir durch den Kopf, als ich die Buell XB12X Ulysses bei Fischer's Harley-Davidson Wien abhole und den Motor starte. Aber nicht, weil die Welt Angst hätte, nein, weil mein Kopf so vibriert, dass alles um mich herum erbebt. Jawoll, hier werkt ein Harley-V2!
(Bild: kmm)

Eigentlich gibt es ja keine neuen Buells mehr, denn Eigentümer Harley-Davidson gab am 15. Oktober 2009 überraschend die Einstellung der Fertigung bekannt. Harley-Davidson Deutschland hat aber im Frühjahr noch 250 Maschinen in Brasilien aufgetan, einige XB12X sind noch übrig. Die Ulysses ist so etwas wie die Reiseenduro bei Buell. Eine davon haben sie mir dankenswerterweise nach Wien gebracht.

Das Besondere an einer Buell
Buells sind anders als andere Bikes. Sie sind die bunten Hunde der Motorradwelt, nicht nur wegen des Harley-V2, der sie antreibt (konstruktive Basis ist der Evo-Sportster-Motor). Am auffälligsten sind die vorderen Bremsen, ZTL (Zero Torsional Load) genannt. Die 375-Millimeter-Scheibe läuft außen am Felgenkranz entlang, was die Bremskräfte des Sechskolbenfestsattels direkt auf die Felge wirken lässt (ohne ABS), ohne Torsionskräfte auf die Radspeichen auszuüben. Dies erlaubt die Verwendung besonders leichter Leichtmetallfelgen, was die ungefederten Massen verringert.

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Auch der Tank ist speziell, und zwar nicht, weil er hier bei der Testmaschine blau durchsichtig ist, sondern weil das Blaue nur eine Attrappe ist, der Sprit dagegen in den Leichtmetall-Brückenrahmen getankt wird. Die Hinterradschwinge dient als Reservoir für den Ölvorrat der Trockensumpfschmierung. Da ist schon echt Nebensache, dass sich das Zündschloss links seitlich unterm Lenker befindet.

Ist diese Hürde (da muss man als Buell-Neuling erst mal draufkommen) genommen, lässt sich der 1.203 cm³-V2 auf Knopfdruck mit ein wenig Geduld anwerfen. Er spotzt und spuckt, verschluckt sich manchmal, setzt beim Gasgeben gerne unvermittelt aus, doch man ist geneigt, es ihm als Charakter durchgehen zu lassen, ebenso wie die bereits beschriebenen starken Vibrationen.

Harley-Motor mit Persönlichkeit
95 PS leistet er, aussagekräftiger ist jedoch das Drehmoment von 104 Nm bei 5.500/min. Damit schiebt die Kiste kräftig an, wenn die Drehzahl passt. 3.000 Touren sollten es schon sein, unter 2.000 ist es nur als divenhafte Arbeitsverweigerung zu bezeichnen, was da passiert. Nach oben raus lässt der Elan auch bald wieder nach, der nutzbare Drehzahlbereich ist relativ schmal. Doch über allem thront der Sound. Trotzdem wünsche ich mir mehr als einmal sechs statt nur fünf Gänge.

Die Sitzposition ist höchst aktiv. Um trotz der großen Schwungmassen des Motors ein gutes Handling zu erreichen, wurde die Fahrwerksgeometrie extrem gestaltet, mit einem kompakten Radstand von nur 1320 mm, steilem Lenkkopfwinkel (69°) und kurzem Nachlauf (84 mm). Entsprechend direkt sitzt man über dem Vorderrad, dazu auch noch ungewöhnlich hoch, was mir mit meinem Gardemaß sehr zupass kommt.

Wenn auch ausgeklügelt, ist das Fahrwerk nicht die große Stärke der 230 Kg wiegenden Buell. Am besten lässt es sich mit dem vergleichen, was man sich von einem „Ami-Schlitten“ erwartet, etwas undefiniert, außerdem bei langsamer Fahrt kippelig. Für eine Reiseenduro sitzt es sich auch nicht angenehm genug, auch wegen des nicht möglichen Knieschlusses. Der mag für kleine Fahrer passen, die werden aber mit der Sitzhöhe ein Problem bekommen.

Viele Details an der Ulysses sind echt liebenswert. Etwa die Klappe am Heck, die sich in unterschiedlichen Positionen fixieren lässt, um Gepäck sicher verstauen zu können. Oder der weit ausladende Seitenständer, der perfekt zum Harley-Motor passt. Oder der Riemenantrieb, auch der unter dem Motor angebrachte Sebring-Auspuff.

So ist die Buell XB12X das Richtige für Fans und für Liebhaber des Besonderen. Wer einfach nur ein unkompliziertes, ausgewogenes Bike sucht, ist hier verkehrt. Doch ihren Reiz hat sie zweifellos. Allein die Idee eines Harley-Motors in einem Nicht-Chopper ist völlig abgefahren, und der Sound ist eine Klasse für sich. Außerdem: Wer kann schon von sich behaupten, eine der letzten Buells überhaupt gekauft zu haben?

Stephan Schätzl

Warum?

  • Außergewöhnliches Konzept
  • Eine der letzten ihrer Art

Warum nicht?

  • Unausgewogenes Fahrverhalten
  • Kapriziöser Motor

Oder vielleicht …

  • … gleich komplett in eine Richtung gehen: entweder Harley oder Reiseenduro.

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(Bild: kmm)



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