Lass den Wind rein!

Porsche 911 Targa 4S: Verschärftes Anti-Aging

Motor
04.05.2007 11:30
Böse Zungen verbinden den Porsche 911 gerne mit Midlife Crisis oder Potenzproblemen. Wer Porsche fährt, muss etwas kompensieren oder so. „Haha, der will’s noch mal wissen!“ Lass sie reden. Und ihr Sixpack trinken. Und heimlich neidisch sein. Denn auch wer den 911er belächelt, kommt nicht umhin, seine Qualitäten anzuerkennen. Er ist der Inbegriff des Sportwagens. Und als Targa ist er auch praktisch und noch eine Spur eleganter.
(Bild: kmm)

Das Sixpack des 911er-Fahrers steht nicht im Kühlschrank, es sorgt hinter der Hinterachse für Verzückung im Lustzentrum des Fahrers. Der Sechszylinder-Boxer spielt eine Symphonie, die des alten Meisters würdig ist. Ob er den eleganten Wagner dabei mozart oder ganz gershwind bewegt, den Fahrer bewegt dieses Meisterwerk auf jeden Fall. Es handelt sich hier um ein 1.560 Kilogramm schweres Anti-Aging-Mittel: Was sonst sorgt dermaßen für eine Entspannung der Gesichtsmuskulatur und damit ein Nachlassen der Falten? 

Gut eingeschenkt
Ein Tipp im Stand aufs Gaspedal lässt den Boxer spüren (ein Effekt, den man auch von BMW-Motorrädern kennt, die sich leicht nach rechts neigen, wenn man am Gasgriff dreht). Damit schwingt sich der Fahrer auf seinen Porsche ein, ehe er sich in Bewegung setzt. Sanft und mit Nachdruck kommt die Kraft auch aus untersten Drehzahlen, sogar bei 40 km/h im sechsten Gang ruckelt nichts, kein Tropfen Widerwillen perlt aus den 3,8 Litern. Und schenkt man richtig ein, dann brüllen 355 PS aus den vier Endrohren, huscht die Tachonadel nach 4,9 Sekunden an der 100er-Markierung vorbei, wenn man nicht am Drehzahlbegrenzer etwa bei 7.000 Touren Zeit verloren hat. Das geht dann munter so weiter, bis man 288 km/h fährt, wenn es der Verkehr (und die örtliche Gesetzeslage) zulässt. 

Da dies in den seltensten Fällen dauerhaft der Fall ist, kommt man meist schneller in den Genuss eines weiteren Highlights, als einem lieb ist: die famosen Bremsen. Das Verzögern macht beinahe genauso viel Spaß wie das Beschleunigen, wenn nicht noch mehr. Egal bei welchem Tempo, selbst in engen Kurven: Steig in die Eisen, der 911er wird stehen bleiben. Unaufgeregt. Ohne jede Unruhe im Fahrwerk. Kein Schwänzeln, kein Andeuten eines Ausbrechens. Und auch hier: Anti-Aging, die Gesichtszüge des Fahrers bleiben entspannt. 

Entspannung statt Langeweile
Mit traumwandlerischer Sicherheit lässt sich dieses Stück Technik, das 44 Jahre 911er-Erfahrung kumuliert auf die Straße bringt, bewegen. Jede Gerade ein Genuss, jede Kurve eine Offenbarung. Doch damit man nicht zum Warmduscher verkommt, erfordert der Porsche bei hohem Tempo eine feste Hand (bzw. zwei davon), wenn sich Autobahnkurven mit Bodenwellen paaren. Das Gefühl der Sicherheit wird dadurch nicht beeinträchtigt, wenn man die Erfahrung hat, die es in jedem Fall braucht, wenn man einen Sportwagen nicht nur zur Waschstraße an der Ecke fahren will. Es tut gut, die Möglichkeiten dieses Autos zu erkunden. 

Dabei hilft der serienmäßige Allradantrieb des Targa, der zwischen fünf und 40 Prozent der Antriebskraft an die Vorderräder schickt. Vom Charakter her bleibt der 911er ein Hecktriebler, sogar mit eingeschaltetem ESP (bzw. Porsche Stability Management) lässt sich ein „Arschwackeln“ provozieren. Herrlich. Noch besser geht das, wenn man das PSM (ESP) auf „Sport“ stellt. Ausschalten lässt es sich auch, dann muss man aber genau wissen, was man tut, damit man nicht 137.000 Euro, die der Testwagen samt Extras kostet, seitlich an den nächsten Baum setzt. 

Das klingt teuer? Na ja, es gibt den Targa 4S in Grundausstattung ab 123.800 Euro, verzichtet man auf 30 PS, sind es 112.600 Euro. Und dann könnte man ja auch noch statt dem Targa die Coupé-Version nehmen (103.100), was aber sehr schade wäre.

Licht und Last
Der Targa hat zwar nichts mehr mit dem ursprünglichen Gedanken zu tun (herausnehmbares Dachteil), ist aber besonders elegant und praktisch: Er verfügt über ein Glasdach, das sich vom Frontscheibenrahmen bis zur Motorhaube erstreckt. Knapp die Hälfte davon lässt sich elektrisch öffnen (und durch ein Rollo elektrisch entsonnen), wodurch Sonne und Wind Zutritt bekommen. Dazu muss es nicht einmal besonders warm sein, die Zugluft hält sich in Grenzen. Erst weit über österreichischem Autobahntempo wird das Brausen des Windes unangenehm. 

Schon fast ungewöhnlich praktisch ist, dass man die Heckscheibe (man könnte auch sagen: die hintere Hälfte des Daches) aufklappen kann. Somit erreicht man die Rücksitze leichter, um sie zu beladen. Es sind sogar die Rücklehnen umklappbar, was den 911er zwar nicht zum Kombi macht, aber immerhin tauglich für Kurzurlaub, Einkauf oder Golfausflug. 

Schnell von Tankstelle zu Tankstelle
Einziger Wermutstropfen: Bei betont schneller Fahrt auf deutschen Autobahnen hat der Porsche in etwa die Reichweite eines Motorrades; nach 250 Kilometern sollte man schleunigst eine Tankstelle finden, sonst wird es eng. Der Tank fasst nur 67 Liter, was bei einem Verbrauch von 18 bis 19 Litern nicht viel ist (Super plus übrigens). Von Wien nach hannover habe ich drei Tankstopps gebraucht. Bei hierzulande erlaubtem Autobahntempo reichen rund elf Liter, im Schnitt liegt die Wahrheit bei etwas über 14. 

Fazit
Wenn man eine Midlife Crisis braucht, um einen 911 Targa zu fahren, mache ich sie zu meinem Lebensziel. Und zwar ganz schnell.

Stephan Schätzl

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(Bild: kmm)



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