Der Mann an sich hat ja gelernt, perfekt zu sein, und genau diese Eigenschaft dürfte im Lastenheft des spanischen Sportlasters gestanden haben. Er hat irgendwie echt alles drauf, wie der perfekte Mann. Er gibt den Racer ebenso überzeugend wie den Familienkombi, den Feschak wie den Lastesel, und gibt sich dabei auf keinem Feld eine Blöße.
Bärenstarke 280 PS, ein echtes Sperrdifferential und ein adaptives Fahrwerk pulsieren auf der Spaßseite - während auf der Familienseite 587/1.470 Liter Kofferraum, auch sonst genug Platz und der eine oder andere Assistent, der aufpasst, ruhen. Einer für alles, alles in einem.
Der "Spagator" kann beides
Bei der Präsentation in und um Barcelona war denn auch alles dabei: Die erste Fahrt vom Flughafen ins Hotel haben wir im Feierabendstau der katalonischen Hauptstadt verbracht (mit adaptivem Tempomat, feinem Stereosound und einem etwas unübersichtlichen Navi). Das Fahrwerk geschmeidig und sanft, der Motor leise, die Lenkung leichtgängig, die Gaspedalkennlinie zahm. Nur das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe ist sogar im Comfortmodus so diensteifrig, dass es sofort um zwei Gänge runterschaltet, wenn man ein bisschen Gas gibt.
Am nächsten Tag dann die feurigen Töne der Eigenschaftspalette: lustiges Carven auf kurvigen Landstraßen, um dann auf der Rennstrecke von Castellolí endgültig die Sau rauszulassen. Je nach Lust und Laune passen der Sport- oder (noch schärfer) der Cupra-Modus. Das Fahrwerk wird trocken, die (serienmäßig progressive) Lenkung verbindlich und mitteilsam, das Gas direkter und auch der Sound wird auf Knopfdruck räudig. Jetzt macht das Sperrdifferenzial richtig Sinn: Der Cupra bringt dadurch für einen "Frontkratzer" extrem viel Kraft auf den Boden. Und Kraft gibt's genug: 350 Nm liegen von 1.700 bis 5.600/min. an.
Mit DSG reißt der knapp 1,4 Tonnen schwere Kombi in glatt sechs Sekunden die Hunderter-Mauer nieder (mit manuellem Sechsganggetriebe ein Zehntel mehr), um gnadenlos weiterzubeschleunigen (bei 250 km/h abgeregelt). Man muss schon genau aufpassen, dass man nicht dauernd bei gut 6.500 Touren in den (sanft regelnden) Begrenzer rauscht, weil die Kraft bis kurz vorher nicht nachlässt und der Sound nie unangenehm wird. Die Ansprechverzögerung des Turboladers ist spürbar, hält sich aber in Grenzen.
So entsteht hier der Motorsound
Es ist mittlerweile Mode geworden, Motorsound über die Lautsprecher der Stereoanlage zuzuspielen. Nicht so beim Leon Cupra. Der macht das zwar auch nicht nur (aber auch) über einen klingenden Auspuff, bleibt aber der Devise treu, dass der Klang vom Auto statt von Lautsprechern übertragen werden muss. Der Cupra hat einen "Sound-Aktuator", der die Frequenzen des Motors bearbeitet, verstärkt und über die Windschutzscheibe abgibt. Klingt richtig natürlich, ohne zu nerven. Volle "Ohr-motionen" gibt es im Cupra-Modus, halbe auf "Sport", Sanftmut im Comfort-Modus.
Die Sache mit dem ESP
Das ESP hat einen Sportmodus und ist ganz abschaltbar - sagt der Hersteller. Stimmt aber nur bedingt. Tatsächlich hat das ESP bei den Testfahrten auch in "off"-Stellung immer wieder eingegriffen. Erst auf Nachfrage "präzisierte" man die vollmundige Ansage: Nur Kunden, die es bei der Bestellung eigens verlangen, die bekommen die Option auf die volle Eigenverantwortung.
Damit nichts anbrennt, hat der Seat Leon Cupra ST serienmäßig ziemlich mächtige Bremsen. Hinter den 19-Zöllern rotieren 340 mm (hinten 310 mm) große Scheiben, optional 370 mm. Alles eine Nummer größer als etwa im Ford Focus ST. Auch ansonsten ist die Serienausstattung nicht von schlechten Eltern: LED-Scheinwerfer und -Heckleuchten; Alcantara-Sportsitze, die prächtigen Halt bieten, aber im Alltag nicht klammern; fernentriegelte, geteilte Rückbank und eine extrem praktisch zu bedienende Gepäckraumabdeckung; Zweizonenklima, Mediasystem mit 5,8"-Touchscreen und das 25 mm tiefergelegte adaptive Sportfahrwerk. Info für Sportfreunde: Der Cupra hat einen echten Handbremshebel, keinen Elektrokram.
Unterm Strich
In anderen Ländern gibt es den Cupra wahlweise mit nur 265 PS; nach Österreich wird aber ausschließlich die starke Ausführung importiert. 37.190 Euro für den Handschalter bzw. 39.090 Euro für die Version mit DSG klingen auf Anhieb nicht nach einem Schnäppchen. Betrachtet man die Ausstattung, ändert sich das Bild. Der etwas billigere Ford Focus ST Traveller kommt auf etwa den gleichen Preis, wenn man die 19-Zöller mit den (hervorragenden) 335er-Bremsen nimmt. Adaptivfahrwerk und Sperrdifferential gibt es aber nicht für Geld und gute Worte. Trotzdem sollte man auch den antesten, und sich auch von der um 30 PS geringeren Leistung nicht schrecken lassen.
Trotz guter Ausstattung gibt die Aufpreisliste natürlich noch einiges her. Für Menschen, die es weniger dezent mögen, ist auch optisch noch einiges drin. Doch so, wie er ist, schafft der Seat Leon ST Cupra den Spagat zwischen allen erforderlichen Eigenschaften am besten. Vom Transport des Ikea-Bettes über den Weg zum Date bis zum Familienurlaub. Und natürlich dürfen sich auch Frauen damit sehen lassen.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… Ford Focus ST Traveller, VW Golf R Variant
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