Donnerkeil!

Yamaha XV1900: Tage des Donners

Motor
14.01.2009 13:28
Beeindruckt ist gar kein Ausdruck für meinen Zustand, als ich die XV1900 zum ersten Mal gesehen habe. Als ich sie dann auch noch abholen durfte, um eine Woche mit diesem Prachtstück der Motorradbaukunst zu verbringen, habe ich mich gefreut wie ein kleiner Bub zu Weihnachten. Voller Respekt. Zu Recht. Es wurden Tage des Donners.
(Bild: kmm)

Blitzendes Chrom, liebevoll gestaltete Details, die der 50er-Jahr-Stromlinie frönen und an das coole Fahrrad in der Verfilmung von Steven Kings Roman „Es“ erinnern – und ein Motor, der nicht nur gigantisch groß ist, sondern mördergut aussieht und eine ganze Reihe von Versprechen abgibt. Und auch gleich klar macht, dass er sie halten wird: 1854 ccm, 90 PS und saftige 155 Nm Drehmoment bei 2.500 Umdrehungen. So muss ein Cruiser sein, dann vibrieren die Hormone. Beim Fahrer wie bei allen, die den Auftritt mitkriegen.

Brabbeln und donnern
Der Anlasser – er muss die Kraft eines Kleinwagenmotors haben - wuchtet die beiden Kolben in Bewegung. 118 mm auf und wieder ab, auf und wieder ab, bis sich ein tiefes Blubbern und Brabbeln durch die Maschine schüttelt und auf den Mann im Sattel überträgt. Der wunderschöne Endtopf produziert dabei sicher sogar Bässe, die das menschliche Ohr gar nicht hören kann. Tief, sonor, lässig. Ein leichter Dreh am Gasgriff, und der Donner grollt auf.

Hier arbeitet noch ein Getriebe
Der linke Fuß steht schon auf dem ausladenden Trittbrett. Er hat zwei Ganghebel zur Auswahl, der hintere ist für die Ferse. Zum Raufschalten, besser gesagt für die Optik. Der vordere ist die beste Verbindung zum Getriebe. KLACKKK! Der erste Gang verheißt das Näherkommen der ersten Meter. Wie lässt sich so ein 346-Kilo-Koloss manövrieren? Für gewöhnlich hat man seine Füße unter dem Körper, nicht einen halben Meter davor, unter den Händen. Fühlt sich an, als würde man die Kontrolle auf- und sich einer anderen Kraft hingeben.

Ängste eines kleinen Buben mit einem großen Spielzeug
Sanft geht der Midnightstar auf, am helllichten Tag bewegt er sich nach vorn. Eine Umlaufbahn (also eine enge Kreisbahn beim langsamen Abbiegen) kann ich mir in dem Moment noch nicht vorstellen, 2,58 Meter Länge und ein Radstand von gut 1,70 lädt von den schieren Zahlen her doch mehr zum Cruisen auf langen geraden Highways ein. Wie würde die erste Fahrt über den Exelberg werden? Die engen Kehren? Was ist, wenn ich in der Kurve stehen bleibe? Fällt sie dann um? Solche Gedanken schießen mir durch den Kopf. Ich erwähnte den kleinen Buben zu Weihnachten, der ist halt ein bisschen schüchtern.

Und dann wurden wir Freunde!
Doch mit jedem Meter, jeder Kurve, jedem Schleifen des Trittbretts bei beherzter Schräglage fühlte sich alles vertrauter an. Und dann wurden wir Freunde! Der Donnervogel glitt über die Landstraßen, kachelte durch die Kurven und schredderte um die Kehren. Gleiten bezieht sich auf die Bewegung und das Fahrwerk, das nichts aus der Ruhe bringt. Sogar im Sozia-Betrieb (sie saß leider nicht sehr bequem) ändert sich an dem soliden Eindruck nichts. Der Sound ist eher ein Donnern, wenn auch ein geschmeidiges. Ein Brabbeln dazu, ein FATTT! zwischendurch – Sinfonie mit dem Paukenschlag.

Wir surfen über die Landstraßen wie ein Vogel auf den Schwingen des Windes, dabei umarme ich den Wind, der in meine weit geöffneten Arme strömt, während ich lässig auf dem breiten Polster throne. Nichts wirft sich uns in den Weg, die Bremsen würden ohnehin zupacken, als ob es kein Morgen gäbe. Ab 1.300 Touren wird angeschoben, bereits bei 5.000 beginnt der rote Bereich. Die Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h will man nicht dauerhaft erreichen, bei dem Tempo den Wind zu umarmen geht an die Substanz.

Nur zwei Dinge stören den perfekten Eindruck: die mehr als ungenaue Tankuhr und die schwarzen Plastikkabelstränge. Hier würde ein bisschen Chrom oder Edelstahl gut tun.

Fazit:
Die Yamaha XV1900 Midnightstar ist das richtige Eisen für gepflegtes Cruisen, einen grandiosen Auftritt – und für Tage des Donners.

Stephan Schätzl

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(Bild: kmm)



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