EU zeigt Härte

2,42 Mrd. Euro! Rekord-Kartellstrafe für Google

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27.06.2017 11:52

Die EU-Kommission brummt Google die mit Abstand höchste Geldstrafe gegen ein einzelnes Unternehmen wegen Missbrauchs seiner Marktmacht auf und droht mit weiteren Verfahren. Der US-Internetkonzern müsse 2,42 Milliarden Euro Strafe zahlen, weil er seine marktbeherrschende Stellung mit seinem Preisvergleichsdienst missbraucht habe, teilte die Brüsseler Behörde am Dienstag mit. Google behält sich vor, dagegen zu berufen.

Zusätzliche Milliardenstrafen können noch folgen, da die EU-Kommission zwei andere Verfahren gegen den Suchmaschinenbetreiber verfolgt und neue eröffnen könnte. Google wies die Anschuldigungen zurück und erklärte, rechtliche Schritte gegen den Beschluss aus Brüssel zu erwägen. Europäische Verbraucherschützer und EU-Abgeordnete begrüßten dagegen die Entscheidung.

Google muss binnen 90 Tagen einlenken
Sollte Google sein Verhalten bei den Preisvergleichsdiensten innerhalb von 90 Tagen nicht abstellen, könnten bis zu fünf Prozent des durchschnittlichen Tagesumsatzes seiner Muttergesellschaft Alphabet als Zwangsgeld verhängt werden, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Wie es sein Verhalten genau ändere, sei die Entscheidung von Google.

Jede Firma, die sich durch die Marktmacht des US-Konzerns im vorliegenden Fall benachteiligt fühle, könne nun vor einem nationalen Gericht auf Schadensersatz klagen. Google habe anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen, im Wettbewerb durch Leistung zu überzeugen. "Vor allem aber hat es verhindert, dass die europäischen Verbraucher wirklich zwischen verschiedenen Diensten wählen und die Vorteile der Innovation voll nutzen können."

Strafe tut Google finanziell nicht sehr weh
Für Google macht die Strafe aus Brüssel nur einen Bruchteil seiner Einnahmen aus: Allein im ersten Quartal des Jahres verzeichnete der Konzern einen Umsatz von aktuell umgerechnet rund 22 Milliarden Euro und fuhr einen Nettogewinn von 4,8 Milliarden Euro ein. Dem Unternehmen drohen aber weitere, milliardenschwere Geldbußen aus Brüssel: In einem der zwei Verfahren geht es um die Marktmacht des Google-Betriebssystems Android auf Smartphones und Tablets, im anderen um Praktiken bei der Suchmaschinenwerbung auf Internetseiten.

Österreichs EU-Abgeordnete begrüßten einhellig die Entscheidung der EU-Kommission, gegen Google eine Rekordstrafe zu verhängen. Suchmaschinen müssen fair und neutral sein, forderte Othmar Karas (ÖVP). Josef Weidenholzer (SPÖ) sprach sich für Regeln für den digitalen Binnenmarkt aus. Michel Reimon (Grüne) kritisierte die zu langen Ermittlungen.

Die Kommissarin bescheinigte, dass Google sehr viele innovative Produkte auf den Markt gebracht habe, die unser Leben wirklich verändert haben. Dies sei eine gute Sache. Aber die Strategie Googles sei es nicht gewesen, Preisvergleichsdienste zu verfolgen um neue Kunden zu gewinnen, das Produkt zu verbessern, sondern es habe die marktbeherrschende Stellung missbraucht und die eigenen Preisvergleichsdienste gefördert.

Weitere Untersuchungen bei Maps und Bildersuche
Vestager deutete zudem die Eröffnung weiterer Untersuchungen an, etwa beim Google-Bilderdienst oder dem Kartenservice Google Maps. Der Beschluss zum Preisvergleichsdienst sei lediglich der Startpunkt. Man bewerte Google jetzt offiziell als dominierendes Unternehmen am Markt, das sei der Unterschied zur Lage zuvor.

Den Vorwurf, dass ihre Behörde mit Google, Amazon oder Apple vorzugsweise US-Konzerne ins Visier nehme, wies Vestager zurück: "Ich kann keine Fakten finden, die belegen, dass wir voreingenommen seien." Mit den US-Wettbewerbsbehörden habe sie im vorliegenden Fall aber nicht zusammengearbeitet.

Die höchsten Geldbußen aus Brüssel erhielten bisher 2009 der US-Chipkonzern Intel mit 1,06 Milliarden Euro sowie 2016 der Stuttgarter Autobauer Daimler mit rund einer Milliarden Euro wegen der Beteiligung an einem Lkw-Kartell.

Google zeigt eigene Ergebnisse weiter oben
Im vorliegenden Fall werfen die EU-Wettbewerbshüter Google vor, die Ergebnisse für seinen Preisvergleichsdienst bei entsprechenden Suchbegriffen ganz oder sehr weit oben in den Suchergebnissen anzuzeigen. Der am besten platzierte Wettbewerber tauche im Schnitt erst auf Seite vier der Suchergebnisse auf. Auf Seite eins der Ergebnisse entfielen aber etwa 95 Prozent aller Klicks der Nutzer.

Dieser Effekt sei auf Mobilgeräten wie Smartphones sogar noch ausgeprägter, da das Display kleiner sei. Google wende das Verfahren beim Preisvergleichsdienst in 13 Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) an, darunter in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. In allen 31 Ländern des EWR habe das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung von meist mehr als 90 Prozent.

Google behält sich Einspruch gegen Entscheidung vor
Google-Manager Kent Walker: "Bei allem Respekt, wir stimmen den heute verkündeten Schlussfolgerungen der EU Kommission nicht zu. Wir werden die Entscheidung ausführlich prüfen, auch in Erwägung eines Einspruchs gegen die Entscheidung. Entsprechend werden wir weiterhin unseren Standpunkt klarmachen."

Verfahren zog sich über sieben Jahre
Die Geldbuße wurde nach einem siebenjährigen Verfahren verhängt, in dem sich Yelp, TripAdvisor oder NewsCorp über den Rivalen beschwert hatten. Nach Angaben Vestagers werteten ihre Mitarbeiter 5,2 Terabyte an Suchergebnissen für den Fall aus. "Ich hoffe, Sie haben vorher gegessen, denn es würde 17.000 Jahre dauern, sie vorzulesen", sagte sie scherzhaft vor Journalisten in Brüssel.

Der Verband der europäischen Verbraucherschützer (BEUC) nannte Vestagers Google-Entscheidung einen Wendepunkt. Damit sei ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen, wie die EU-Kommission die Auswirkungen auf Verbraucher bei wettbewerbswidrigem Verhalten in der Digitalwirtschaft bewerte. Nach Ansicht des CDU-Europapolitikers und Binnenmarktexperten Andreas Schwab bekommen mit dem Beschluss aus Brüssel auch kleinere und innovative Start-ups wieder mehr Luft zum Atmen.

Drohen nun Spannungen im Verhältnis mit den USA?
Beide Seiten hatten lange versucht, den Streit im gegenseitigen Einvernehmen beizulegen. Die Angelegenheit hatte auch zu Spannungen im Verhältnis zwischen der EU und den USA geführt. Eine hohe Strafe gegen Google könnte nun den Zorn von US-Präsident Donald Trump heraufbeschwören, dessen Wirtschaftspolitik dem Wahlspruch "America First" (Amerika zuerst) folgt.

Derzeit laufen insgesamt drei EU-Wettbewerbsverfahren gegen Google. Die anderen beiden richten sich gegen den Google-Werbedienst AdSense sowie gegen die Smartphone-Software Android.

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