Menschengerichtshof:

Entlassung wegen privater E-Mail-Nutzung illegal

Web
05.09.2017 13:48

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt: Das Gericht erklärte am Dienstag eine Entlassung wegen privater Internetnutzung für nicht rechtens. Der Arbeitgeber verstoße mit der Überwachung der elektronischen Kommunikation des Angestellten gegen das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre, hieß es im Urteil.

Der Kläger, ein rumänischer Ingenieur, war im August 2007 nach dreijähriger Tätigkeit von seinem Unternehmen entlassen worden, weil er seine berufliche E-Mail-Adresse auch privat genutzt hatte. Der Arbeitgeber präsentierte ihm eine Kopie seines E-Mail-Verkehrs einer Woche, die auf 45 Seiten neben beruflichen auch private Nachrichten enthielt - unter anderen an den Bruder und die Verlobte.

Das Unternehmen hatte kurz zuvor allen Angestellten mitgeteilt, dass eine andere Beschäftigte wegen privater Nutzung von Internet, Telefon und Fotokopierer gefeuert worden war. In Rumänien hatte der 38-Jährige vergeblich gegen seine Entlassung geklagt: Die rumänische Justiz urteilte, das Unternehmen habe im Rahmen des geltenden Arbeitsrechts gehandelt und seine Beschäftigten über die internen Regeln informiert.

Juristische Versäumnisse
Der Gerichtshof für Menschenrechte rügte hingegen, die rumänische Justiz habe nicht hinreichend geprüft, ob der Ingenieur von seinem Arbeitgeber über die Kontrolle seiner E-Mail-Korrespondenz informiert wurde. Es sei auch nicht geprüft worden, ob der Arbeitnehmer über das Ausmaß dieser Überwachung - und damit das "Eindringen in sein Privatleben und seine Korrespondenz" - unterrichtet war.

Außerdem sei die rumänische Justiz nicht der Frage nachgegangen, inwieweit eine so ausführliche Überwachung gerechtfertigt war, kritisierte der Gerichtshof. Sie habe somit nicht sorgfältig zwischen den Interessen des Unternehmens und dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre abgewogen.

"Privatleben darf nicht völlig unterbunden werden"
Die internen Vorschriften eines Unternehmens dürften "das soziale private Leben am Arbeitsplatz nicht völlig unterbinden", heißt es in dem Urteil weiter. Das Recht auf Privatleben und die Vertraulichkeit der Korrespondenz dürfe zwar "im Rahmen der Notwendigkeit eingeschränkt", aber nicht völlig aufgehoben werden.

Die Entscheidung wurde von der Großen Kammer des Gerichtshofs mit elf Stimmen gegen sechs gefällt und ist definitiv. Sie hebt das Urteil einer kleinen Kammer vom Jänner 2016 auf, welche die Klage zunächst abgewiesen hatte. Die 17 Richter der Großen Kammer hatten im Laufe ihrer Beratungen unter anderem Experten des Europäischen Gewerkschaftsbundes angehört.

Urteil mit weitreichenden Konsequenzen
Die Entscheidung könnte die Gesetzgebung und Rechtsprechung in den 47 Mitgliedsländern des Europarats maßgeblich beeinflussen. Diese seien nun angehalten, die Konsequenzen aus dem Straßburger Urteil zu ziehen, erläuterte ein Gerichtssprecher. Vor allem müssten sie sicherstellen, dass Maßnahmen zur Überwachung der Internetnutzung am Arbeitsplatz verhältnismäßig seien und die Angestellten ausreichend vor Missbrauch schützen.

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