Start-up-Hochburg

Israel: Im Heiligen Land der Hightech-Jünger

Elektronik
23.03.2017 07:41

Eine marktorientierte Forschung ohne Berührungsängste und die blühende Start-up-Szene haben Israel zum Pilgerziel für Hightech-Jünger aus aller Welt gemacht. "Hier versucht man mit aller Kraft, Ideen zu Patenten zu machen", zeigte sich der Geschäftsführer von Austrian Cooperative Research (ACR), Johann Jäger, bei einer Studienreise vom Technologietransfer zwischen Unis und Wirtschaft beeindruckt.

Da Patente auch an den Unis verbleiben und die Forscher mit bis zu 50 Prozent an den Erlösen beteiligt werden, sei das ein besonderer Anreiz für anwendungsorientierte Forschung, so Jäger. Ähnlich bilanzierte auch ACR-Präsident Martin Leitl die Studienreise mit Stationen in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa. Österreich könne viel davon lernen, wie in Israel ohne Kontaktscheu Universitäten bzw. die Wissenschaft mit der Wirtschaft interagieren: "Seien es Förderungen, Spenden oder Kooperation, es gibt keine Berührungsangst. Das Endziel ist immer das Produkt, das am Markt Erfolg hat."

Zweithöchste Forschungsquote auf der Welt
Mit einer Forschungsquote von mehr als vier Prozent des BIP liegt Israel nach Korea an zweiter Stelle (Österreich: drei Prozent). Ein erheblicher Teil an Forschungsgeldern kommt aus dem privaten Bereich. So wurden 2013 nur 45 Prozent der universitären Forschung von staatlicher Seite gefördert. Dafür haben sich mehr als 320 Forschungs- und Entwicklungszentren multinationaler Unternehmen in Israel niedergelassen, von Facebook, Coca Cola, Samsung, Google bis IBM. Im Bloomberg Innovation Index 2017 konnte sich das Land vor allem in den Kategorien "R&D Intensity", "Researcher Concentration" und "Hi-Tech Density" auszeichnen.

Es sind aber in erster Linie die Start-ups, die Israel auf die internationale Innovations-Landkarte katapultiert haben. Vom jüngst bekannt gewordenen größten Geschäft in der Geschichte der israelischen Hightech-Branche, dem Kauf von Mobileye durch Intel für rund 15 Milliarden Dollar (13,89 Milliarden Euro), weiß jeder Taxifahrer zwischen Tel Aviv und Jerusalem ein Loblied zu singen. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurden 8000 Jungunternehmen gegründet - allein im Jahr 2015 waren es 1400 - und 500.000 Personen arbeiten in dem Bereich. Zu jedem Zeitpunkt sind 6000 Start-ups im Land aktiv, und das obwohl von den jährlich gut 1000 Gründungen 90 Prozent wieder verschwinden.

"Für uns ist Scheitern ein Teil des Lebens"
Fehlschläge sind in Israel aber kein Stigma, im Gegenteil. "Für uns ist Scheitern ein Teil des Lebens", erklärte Harold Wiener von Terra Venture Partners. Israel sei gerade wegen der mangelnden natürlichen Ressourcen eines der innovativsten Länder der Welt, wie etwa zahlreiche Projekte rund um das Thema Wasser bezeugen würden. Was das Vorhandensein von Risikokapital betrifft, ist Israel Weltspitze. Allein bei Terra Venture Partners schießt der Staat für jeden in ein Start-up investierten Dollar sechs dazu. Die Kehrseite der Medaille sei aber der vergleichsweise kleine Heimmarkt. Im israelischen Kernland (ohne besetzte Gebiete) leben ähnlich viele Einwohner wie in Österreich (rund 8,4 Millionen) auf einer Fläche wie Niederösterreich (22.000 Quadratkilometer). "Wir sind das beste Land in der Welt um ein Unternehmen zu gründen, und das schlechteste, um es am Leben zu erhalten", sagte Wiener.

Die vom ehemaligen Geschäftsführer von Apple Israel, Aharon Aharon, geleitete Israel Innovation Authority unterstützt jährlich 2000 Projekte aus allen Sektoren - ausgenommen Grundlagen- und militärische Forschung - mit einem strategischen Fokus auf Public-Private-Partnerships (PPP). Im Incubator-Programm werden Jungunternehmen mit 85 Prozent der Projektsumme, Universitäten mit 90 Prozent unterstützt. So verbleibt das Hauptrisiko bei der Behörde, die im Erfolgsfall am Gewinn beteiligt ist. 35 Prozent der Investitionen fließen im Schnitt pro Jahr an die Behörde zurück. "Wären es mehr, würde das bedeuten, dass wir zu wenig Risiko eingehen", beschrieb die innerhalb der Organisation für die "Early Stage Division" zuständige Anya Eldan die Philosophie, die Erfolg an Kriterien wie Wettbewerbsfähigkeit, geschaffene Jobs, geistiges Eigentum und Spillover-Effekten festmacht.

Zunehmender Nachwuchsmangel bei Technikern
Neben anderen Herausforderungen wie der Integration der arabischsprachigen Bevölkerung in den Arbeitsmarkt und steigenden Lebenshaltungskosten sieht sich Israel auch mit einem zunehmenden Nachwuchsmangel bei Technikern konfrontiert. Und bei allen Erfolgen der Hightech-Industrie sind traditionelle Industriebereiche ins Hintertreffen geraten. "Das größte Ziel derzeit ist es, Innovation in die traditionellen Industrien zu bringen", sagte Eldan. Der israelischen Mentalität entsprechend wird aber auch hier der rasche Zug zum Tor gesucht. Das im Juni startende neue Förderprogramm "Innovation Labs" will unter anderem mit Innovationsmanagern die Lücke zwischen Industrie und kleinen Unternehmen schließen und diese beim Innovieren stärker zusammenbringen.

Spätestens bei diesem Beispiel steht ACR-Präsident Leitl wieder vor der Hürde der etwas zäheren österreichischen Forschungskultur. Ein Versuch, den bei einer Studienreise nach Dänemark zum Vorbild genommenen "Innovationsagenten" als Vermittler zwischen Forschung und KMU in Österreich zu etablieren, scheiterte nach einer Pilotphase an der Finanzierung. Infiziert vom israelischen Forschergeist will Leitl nicht aufgeben: "Wir versuchen es weiter."

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