Erblicher Gendefekt

“Berggipfel überlasse ich heute anderen”

Gesund
30.04.2017 06:00

Atemnot bei Belastung beeinträchtigt seit 15 Jahren das Leben von Hans Rapp aus Kärnten, der trotzdem lebensfroh geblieben ist. Auch die Liebe zum Sport hat er sich nicht nehmen lassen, obwohl er dazu heute oft sein Sauerstoffgerät mitnehmen muss.

"Ich komme nicht mehr ans Ufer", überkam Johann Rapp 2002 beim Schwimmen im Ossiacher See große Angst. In diesem Moment hatte er das erste Mal massive Atemnot. "Ich bin dann am Rücken liegend ans Ufer gestrampelt", berichtet der heute 67-Jährige. Einer seiner Sportpartner (gleichzeitig sein Hausarzt) führte bald danach einen Lungenfunktionstest durch. Aufgrund der auffälligen Werte überwies er ihn an einen Lungenfacharzt, der jedoch "am Holzweg" war. Bald standen mehrere Diagnosen im Raum. Erst 2005 fand eine Lungenfachärztin die tatsächliche Ursache heraus. Ein ausführliches Gespräch über Erkrankungen in seiner Familie und ein Test, für den ein Blutstropfen reicht, brachten das Ergebnis: Alpha1-Antitrypsin-Mangel.

Experten empfehlen Familienscreening
"Dabei handelt es sich um eine seltene erbliche Stoffwechselerkrankung, die meist die Lunge, seltener auch Leber und Haut betrifft. Das Eiweißmolekül Alpha1-Antitrypsin (AAT) wird in der Leber gebildet und ins Blut abgegeben. Es schützt vor allem in der Lunge gesunde Zellen, indem es dort bestimmte Enzyme bindet, die intaktes Gewebe angreifen können. Menschen mit AAT-Mangel hingegen haben diesen Schutz nicht oder nur unzureichend, wodurch die Lunge geschädigt wird", erklärt Prim. Dr. Gert Wurzinger, Pulmologisches Zentrum, LKH Enzenbach, Gratwein-Straßengel, Stmk. "Erste Symptome treten bei Nichtrauchern zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf, bei Rauchern ab 30." Am häufigsten zeigt sich die Erkrankung durch Atemnot bei Belastung, aber auch Husten und Auswurf sind möglich. Da es sich um einen Gendefekt handelt, wird auch ein Familienscreening empfohlen. "Für die Nachkommen ist es wichtig zu wissen, ob sie betroffen sind", berichtet der Facharzt. "Denn Kinder, welche die Veranlagung haben, sollten keinesfalls zu rauchen beginnen und auch keinen Beruf wählen, bei dem sie mit Dämpfen, Lacken und extremem Staub in Berührung kommen, wie Landwirt, Bäcker, Tischler oder Schweißer."

Regelmäßige Untersuchungen und Impfungen
Welche Therapie erhält der zweifache Vater und dreifache Großvater? "Ich inhaliere täglich eine kortisonfreie Arznei. Einmal pro Woche bekomme ich aus Blutplasma hergestelltes Antitrypsin mittels Infusion verabreicht." Als letzte Möglichkeit kommt bei jüngeren Patienten auch eine Lungentransplantation in Frage. Mittlerweile kennt sich Hans Rapp mit seiner Erkrankung aus - er ist 2. Vorstand des Vereins Alpha1 Österreich. Einmal pro Jahr lässt sich der Kärntner von Prim. Wurzinger durchchecken. Unter anderem gehören Bluttest, Spirometrie, Ganzkörper-Plethysmographie (spezielle Lungenfunktionsuntersuchung), Sauerstoffsättigung in Ruhe und bei Belastung sowie die Leberuntersuchung mittels Fibroscan zum "Rundum-Programm". Betroffenen wird zudem empfohlen, sich gegen Pneumokokken (Bakterien, die u. a. Lungenentzündung verursachen), Keuchhusten, Grippe und Hepatitis impfen zu lassen, da ihre Lunge ohnehin geschwächt ist.

Hans Rapp meidet Menschenansammlungen (z. B. Veranstaltungen), um möglichst infektfrei zu bleiben. Zusätzlich schwört er auf ein Atemmuskulatur-Training, um die Elastizität der Lunge zu bewahren. Ist er trotzdem noch sportlich aktiv? "Natürlich, aber anders als früher. Beim Wandern kann ich erst auf der Hütte mit meinen Freunden plaudern, am Weg dahin reicht meine Luft dafür nicht mehr aus. Berggipfel überlasse ich heute aber anderen. Zum Radfahren verwende ich jetzt ein E-Bike, damit mir meine Frau Christa bergauf nicht davon radelt", erzählt der Kärntner mit einem Augenzwinkern. "Auch im Ossiacher See schwimme ich wieder, aber nur kürzere Strecken in Ufernähe. Laufen, tanzen und Tennis spielen schaffe ich leider nicht mehr."

Monika Kotasek-Rissel, Kronen Zeitung

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