Tinnitus

“Nur in der Therme konnte ich schlafen”

Gesund
20.05.2017 07:18

Zunächst "Grillenzirpen" im rechten Ohr, dann lästiger Dauerton. Andrea Bossler konnte durch unangenehme Ohrgeräusche nicht mehr richtig zur Ruhe kommen. Schließlich wurde der Schuldirektorin allerdings mittels Spezialtherapie in einem Tinnituszentrum geholfen.

"Thermenurlaube gelten ja als besonders entspannend, und für mich waren sie das noch viel mehr. Nur dort im Liegestuhl konnte ich mich richtig ausruhen und auch gut einschlafen. Denn dieses ständige Wasserrauschen hielt endlich einmal meinen quälenden Tinnitus in Schach", erinnert sich Andrea Bossler zurück. Dass es einmal so schlimm würde, ahnte die 54-jährige Sonderschuldirektorin im 20. Wiener Bezirk am Anfang, also vor etwa sieben Jahren, noch nicht. Sie beachtete das Geräusch in ihrem rechten Ohr kaum, bis nach einigen Monaten auch das linke Ohr betroffen war und sich das "Grillengezirpe" zu einem Dauerton auswuchs. Nach Kortisongaben, die allerdings nichts (mehr) ausrichteten, wurde der quirligen Frau geraten, sich mehr zu entspannen. "Natürlich hatte ich Stress. Unter der Woche in der Schule, am Wochenende mit meinen Pferden und den Kindern, welche ich in Voltigier-Kursen heilpädagogisch betreute. Doch selbst als ich kürzer trat, verschwand das quälende Geräusch nicht. Es wurde sogar so störend, dass ich kaum noch ein- oder durchschlafen konnte. Der Mangel an Ruhe belastete mich sehr", berichtet die Niederösterreicherin. "Dieses Leiden kann sich keiner vorstellen, der es nicht selbst erlebt hat. Dass sich manche Menschen wegen Tinnitus sogar das Leben nehmen, ist für mich nun verständlich."

Andrea Bossler fand sich glücklicherweise nicht mit der Situation ab, sondern suchte Hilfe, nämlich in einem spezialisierten Zentrum. "Zunächst musste der Hörverlust der Patientin ausgeglichen werden. Viele wissen es nicht, aber die häufigste Ursache von Tinnitus ist die schleichend einsetzende Altersschwerhörigkeit. Da sie zunächst nur die höheren Frequenzen betrifft, wird sie zu Beginn gar nicht bemerkt. Auch Frau Bossler konnte es kaum glauben, dass sie Hörgeräte brauchte", erklärt Dr. Johannes Schobel, Zentrum für Tinnitus und Hyperakusis in St. Pölten. "Die Patienten hören zwar das meiste noch, haben aber Schwierigkeiten mit dem Erfassen von Sprache in geräuschvollen Situationen." Die Strasshoferin bemerkte das etwa, wenn sie ihre (Reit-)Schüler unterrichtete oder bei Lehrerkonferenzen. Ständig stand die Direktorin unter Druck, etwas nicht zu verstehen, wichtige Infos zu verpassen.

Hörgeräte wichtig für Therapierefolg
Die Tinnitusfrequenz liegt fast immer im Bereich der größten Hörminderung. Gerade dort, wo die "grauen Zellen" der Hörrinde zuwenig "Ansprache" von draußen haben, entwickeln sie ein Eigenleben und verfallen in "synchrone Aktivität". Und produzieren damit einen Dauerton. Deshalb ist es wichtig, jedes Problem mit entsprechenden Geräten zu korrigieren. Der Effekt ist zunächst eine Überlagerung durch die nun wieder hörbar gewordenen Umgebungsgeräusche. Nach dem herausnehmen der Geräte ist der Tinnitus zunächst gleich wieder da. Bereits nach ein paar Wochen dauert es aber immer länger, bis das Ohrgeräusch erneuert auftritt. Es zeigt sich merklich leiser. In die Hörgeräte wurde ein sogenannter Noiser integriert. Dr. Schobel: "Dieser Generator erzeugt ein angenehmes Rauschen, sodass die Ohrtöne damit überlagert werden.

Wichtig ist, dass die Patienten lernen, gut damit umzugehen und dem Geräusch auch positive Gefühle, etwa wie bei einem Thermenbesuch, entgegen zu bringen." Stille sollte gemieden werden, vor allem im Schlafzimmer. Hier nutzen viele akustische Ablenkungen wie Blätterrauschen oder Vogelgezwitscher, die es bereits als Applikation für das Smartphone gibt. "Den Noiser schalte ich vormittags meist ab, wenn mich Telefonate, Lehrer oder Schüler ablenken. Aber z.B. zum Lesen verwende ich ihn sehr gerne. Ich kann ihn ebenfalls mittels Handy-App steuern", freut sich die Ausbildnerin für heilpädagogisches Reiten. In die Therme fährt Andrea Bossler immer noch gerne auf Urlaub - aber schlafen kann sie mittlerweile besser zu Hause.

Dr. Eva Greil-Schähs, Kronen Zeitung

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