"Vollholler"-Affäre

Der Wahlkampf wird jetzt vollkommen schräg

Österreich
18.06.2017 20:25

Eine Kommunikationspanne zur Flüchtlingsfrage hat am Sonntag zu einem heftigen Disput geführt. Auslöser ist die bekannt gewordene negative Bewertung von Bundeskanzler Christian Kern über die Schließung der Flüchtlingsrouten im Mittelmeer. Kern hatte diese Überlegungen in einem Hintergrundgespräch als "populistischen Vollholler" bezeichnet.

In der ÖVP war diese Bemerkung als deutliche Kritik des SPÖ-Chefs am ÖVP-Kanzlerkandidaten und Außenminister Sebastian Kurz aufgenommen worden. Kurz hatte vergangene Woche im außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats seine Überlegungen zur Schließung der Mittelmeer-Flüchtlingsrouten bekräftigt.

Innenminister Wolfgang Sobotka hat nun am Sonntag für "eine gemeinsame Regierungslinie" in dieser Frage plädiert. "Solange die Rettung im Mittelmeer ein Ticket nach Zentraleuropa bedeutet, wird der Strom an Flüchtlingen nicht abreißen", so der Innenminister.

Damit ist dieses Thema mitten im anlaufenden Wahlkampf gelandet. Bundeskanzler Christian Kern hat seine Kritik noch am Samstag auf dem Kurznachrichtenkanal Twitter erneuert: "Die Herausforderung der Migration lässt sich nicht mit gut klingenden Parolen lösen, Forderungen an die EU sind Forderungen an uns selbst." Angeschlossen an diese Nachricht des Kanzlers war ein Protokoll von einem Hintergrundgespräch mit Journalisten am vergangenen Donnerstag.

"Das gibt's auch nur in Österreich"
Dieses Gesprächsprotokoll war vom "Falter"-Journalisten Florian Klenk veröffentlicht worden, nachdem er, wie er erklärt, dazu die Zustimmung des Kanzlerbüros erhalten hatte. Die Mitschrift war vom Kanzleramt selbst angefertigt und weitergeleitet worden.

Diese weitere Wendung in der "Vollholler-Affäre" fügt sich in das Bild eines zunehmend schräger verlaufenden Wahlkampfs. Verwundert hat sich dazu am Sonntag der "ZiB2"-Starmoderator Armin Wolf öffentlich geäußert: "Das 'Hintergrundgespräch' des Regierungschefs mit Tonbandprotokoll und autorisierter Veröffentlichung gibt’s auch nur in Österreich."

In der SPÖ ist man bemüht, die Debatte um die "Vollholler-Protokolle" runterzuspielen, und bezeichnete sie als Orchideen-Thema, das niemanden interessiere.

Kommentar: Lustig und leicht
Kanzler Kerns "Vollholler-Affäre", von einigen auch "Hollergate" genannt, könnte der perfekte Sommerhit für die kommenden heißen Tage sein. Klingt lustig und leicht und ist nicht so ein Stimmungskiller wie der Pflegeregress oder die von der SPÖ zu einer Koalitionsbedingung hochstilisierte Volksabstimmung über die Föderalismusreform. Bei genauerem Hinsehen geht es allerdings bei der "Vollholler-Affäre" um sehr ernsthafte Themen.

Da wäre einmal grundsätzlich die Frage über den Umgang mit vertraulichen Gesprächen und Protokollen zu stellen. Also wie es möglich ist, dass Einschätzungen über befreundete und weniger befreundete Staaten im Kanzleramt über die sozialen Netze hinausgespielt werden.
Zum anderen geht es darum, was davon zu halten ist, wenn die einigermaßen heiklen Überlegungen für die Schließung der Flüchtlingsrouten über das Mittelmeer als "populistischer Vollholler", also als Unsinn, bezeichnet werden.

Wie das der Bundeskanzler genau gemeint hat, lässt sich aus den Gesprächsprotokollen teilweise ablesen. Und an Kerns Vorbehalten ist einiges dran: Das sind sehr seriöse Einwände. Bei dieser Thematik geht es letztlich um die nationale und europäische Sicherheit. Und ab diesem Punkt ist es dann kein lustig leichter Sommerhit mehr, kein "populistischer Vollholler", sondern eine zentrale Aufgabe der noch schlecht und recht amtierenden und der hoffentlich deutlich besser funktionierenden nächsten Regierung.

Claus Pándi, Kronen Zeitung

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