"Sommergespräch"

Kern: “Bei Wahlniederlage ist SPÖ in Opposition”

Österreich
04.09.2017 22:15

Mit großer Spannung ist das letzte ORF-"Sommergespräch" dieses Jahres erwartet worden. Am Montagabend stand SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern Moderator Tarek Leitner Rede und Antwort. Besondere Brisanz hatte das Interview durch die Vorwürfe von ÖVP-Kandidat Efgani Dönmez, der behauptet, die beiden seien befreundet. Leitner und Kern waren zumindest einmal gemeinsam mit ihren Familien im Urlaub. Gleich zu Beginn thematisierte der Kanzler das Thema und betonte, dass es während seiner Amtszeit keine gemeinsamen Urlaube gegeben habe. Aufhorchen ließ Kern am Ende auch mit der Aussage, dass bei einer Wahlniederlage die SPÖ keiner Regierung angehören werde.

"Wenn wir Erster sind, dann werde ich Kanzler bleiben", so Kern - ansonsten werde er die SPÖ in die Opposition führen und Österreich würde eine schwarz-blaue Regierung bekommen. Kern warnte vor einer Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ. Die beiden Parteien hätten Wirtschaftsprogramme, "wo du nicht weißt, wer von wem abgeschrieben hat". Es gehe in der Politik nicht um die Fassade, sondern um Interessen, so Kern, der sich dabei auf der Seite der Mittelschicht sieht. Er verteidigte seine Forderung nach einer Erbschaftssteuer und einer Wertschöpfungsabgabe. Von einem bedingungslosen Grundeinkommen sei er aber "kein großer Anhänger".

Koalition mit der FPÖ? Kern schließt vor Wahl niemanden aus
Ob es im Falle eines Wahlsieges zu einer rot-blauen Zusammenarbeit kommen könnte, beantwortete der SPÖ-Spitzenkandidat nicht mit Ja oder Nein. Er betonte, dass er einen anderen Weg gehe als seine Vorgänger, die die FPÖ stets ausgegrenzt hätten. Dadurch sei die ÖVP zum einzigen Koalitionspartner geworden und habe sich zurücklehnen können. "Wir haben nun gesagt, dass wir nach der Wahl mit allen Parteien reden werden. Ich werde vor der Wahl niemanden ausschließen", erklärte Kern.

Flüchtlingspolitik: Menschenwürde im Mittelpunkt
Bei der Flüchtlingspolitik, in der sich auch für Kern die Positionen von SPÖ, ÖVP und FPÖ angeglichen haben, versuchte der Bundeskanzler die Menschenwürde in den Fokus zu stellen. Flüchtlingen eine Chance zu geben, sich zu integrieren, und nicht nur gegen sie zu hetzen, das sei die Linie der SPÖ. Es sei auch klüger, hinter verschlossenen Türen miteinander zu sprechen als öffentlich von Italien die Schließung der Mittelmeerroute zu fordern.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) soll übrigens - falls die SPÖ in der Regierung bleibt - als "Sicherheitsminister" für Inneres zuständig sein, das Dogma der Trennung von Militär und Polizei werde aber nicht aufgehoben, stellte Kern klar.

"Trendwende am Arbeitsmarkt geschafft"
Kern betonte mehrmals, dass er aus einem Unternehmen in die Politik gekommen sei und dass unter seiner Kanzlerschaft die Trendwende am Arbeitsmarkt gelungen sei. Auch das Budgetdefizit in Relation zum BIP sei gesunken. Es sei das noch mit Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ausgehandelte Programm, das Österreich wieder auf die Spur bringe.

Der Regierungschef nahm auch zu jener Cause Stellung, die seit Tagen in den Medien ausführlich diskutiert worden war - und zwar gleich zu Beginn der Sendung: Hatten Leitner und Kern gemeinsame Urlaube bzw. gibt es ein Naheverhältnis, das die Objektivität des Journalisten gerade beim "Sommergespräch" beeinträchtigen könnte? Kern stellte klar: "Was wir beide ja nicht können, ist, über gemeinsame Urlaube in meiner Kanzlerzeit zu diskutieren, die hat es ja bekanntlich nicht gegeben."

Leitner äußert sich nicht zur Causa
"Ich finde das bedauerlich, dass der Außenminister und ÖVP-Chef und seine engsten Mitarbeiter da Unwahrheiten darüber verbreiten. Aber mir ist wichtig, Ihnen zu versichern, wie hart Sie auch immer fragen werden, ich werde mich nachher sicherlich nicht wehleidig über den ORF beschweren. Das ist ganz wesentlich, weil ich Respekt vor der journalistischen Arbeit habe." Leitner selbst äußerte sich während des Fernsehinterviews nicht zu der Causa.

Kern war der letzte Gast im gläsernen Interviewstudio vor dem Parlamentsgebäude. Sein größter Herausforderer im Rennen um die Kanzlerschaft, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, hatte mit seinem Auftritt in der Vorwoche einen Quoten-Allzeitrekord aufgestellt.

Holpriger Start in den Wahlkampf
Die SPÖ hat einen holprigen Start in den Wahlkampf hingelegt. Die Sozialdemokraten kommen einfach nicht in Tritt, stolpern von einem Patzer zum nächsten. Der größte Schock im SPÖ-Wahlkampf war bisher zweifelsohne die Verhaftung von Berater Tal Silberstein. Dem Israeli werden Betrug und Geldwäsche vorgeworfen.

"Natürlich schadet Gusenbauer der SPÖ"
Nach Silberstein kam dann die Causa Gusenbauer. Der Ex-Kanzler ist Geschäftspartner von Silberstein. Zwar ist er offenbar nicht in die Geschäfte verwickelt, wegen denen Silberstein Betrug und Geldwäsche vorgeworfen werden, dennoch ergibt das keine gute Optik. "Natürlich schadet Gusenbauer der SPÖ", stellte Insider Bruno Aigner erst kürzlich fest. Gusenbauer hat immer noch einige Funktionen in der SPÖ inne.

Erste inhaltliche Akzente gesetzt
Die Sozialdemokraten müssen nun versuchen, mit Inhalten zu Punkten, um Kurz und seine ÖVP nicht ganz davonziehen zu lassen. Mit dem Beschluss der Pensionserhöhung, der Forderung nach dem Gratis-Führerschein für Lehrlinge und dem Vorstoß gegen Bankomatgebühren konnte man bereits erste inhaltliche Akzente setzen.

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