"Zähne verloren"

Pressefreiheit in Japan unter Abe in Gefahr

Medien
27.04.2017 10:14

In vielen Ländern wird vor der Bedrohung der Pressefreiheit gewarnt. Selbst in Japan, Asiens ältester Demokratie, beklagen Kritiker zunehmend politischen Druck auf Medien. Deren Reaktion: Selbstzensur.

(Bild: kmm)

"Halt die Klappe", fauchte Masayoshi Imamura den Reporter an. Dessen hartnäckige Fragen nach der Verantwortung der Regierung für Evakuierte der Atom-Katastrophe in Fukushima hatten Japans Wiederaufbau-Minister so zur Weißglut getrieben, dass er den Journalisten anschnauzte, den Raum zu verlassen.

Imamura musste jetzt zurücktreten, nachdem er sich noch weitere skandalöse Äußerungen geleistet hatte. Doch sein kürzlicher Ausraster auf einer Pressekonferenz veranschaulicht - wenn auch für japanische Verhältnisse auf ungewöhnliche, laute Weise - dass selbst in Asiens ältester Demokratie in Bezug auf die Medien ein schärferer Wind weht.

Kein "Krieg" à la Donald Trump
Es ist kein offener Krieg der Mächtigen gegen Journalisten im Stile eines Donald Trump. Als Journalist in Japan wird man auch nicht umgebracht oder in den Kerker geworfen wie in vielen anderen Ländern. Japan hat eine vielfältige Medienlandschaft. Die Nachkriegsverfassung verbietet Zensur. In der Rangliste zur Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen ist die Nummer drei der Weltwirtschaft dennoch weit hinter andere liberale Länder zurückgefallen und liegt derzeit auf Rang 72 von 180 Staaten.

Wie kommt das? Seit Amtsantritt des rechtskonservativen Regierungschefs Shinzo Abe seien Medien direkt und indirekt zunehmendem Druck ausgesetzt, sich mit kritischer Berichterstattung zurückzuhalten, beklagen Kritiker. Die Regierung weist das zwar von sich. Doch auch der UNO-Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit, David Kaye, war nach Gesprächen in Japan im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen: Japans Pressefreiheit sei "ernsthaft bedroht".

"In Japan verhält es sich komplexer"
Doch ist es nicht so, dass der Staat oder Abe allein direkte Kontrolle ausüben würde. "In Japan verhält es sich komplexer", erklärt der japanische Politikwissenschaftler Koichi Nakano, der einer der schärfsten Kritiker der Regierung Abe ist. Viele Journalisten hätten geklagt, dass sie von ihrem Arbeitgeber auf indirekten politischen Druck hin auf das Abstellgleis gestellt oder zum Schweigen gebracht worden seien, berichtete Kaye. Heikle Themen würden oft vermieden, um sich keine Kritik einzuhandeln.

Die Regierung geht dabei laut Kritikern mit Zuckerbrot und Peitsche vor: So ist Abe bekannt dafür, die Gesellschaft mit Managern großer Medienkonzerne in gemütlichen Restaurants zu pflegen. Doch es gab auch schon offene Warnungen. Dass in jüngster Vergangenheit gleich mehrere für ihre kritische Haltung bekannte TV-Journalisten intern ausgewechselt worden sind, ist für Beobachter kein Zufall.

Druck entsteht auch durch Netzwerke
Oft seien es auch Netzwerke innerhalb der Gesellschaft, die Einfluss auf Kritiker auszuüben versuchten, so Nakano von der renommierten Universität Sophia in Tokio. Zum Beispiel durch Mitglieder der Nippon Kaigi (Japankonferenz), einer Lobbyorganisation mit nationalistischem Weltbild, die eine Wiederbelebung der Kaiserverehrung und patriotische Erziehung propagiert. Sie hat enge Beziehungen zu Abe und seinem Kabinett.

Besonders hart traf es die liberale Tageszeitung "Asahi Shimbun". Sie war zum Ziel einer regelrechten Einschüchterungskampagne der Rechten geworden. Anlass waren Berichte über Sexsklavinnen des japanischen Militärs im Zweiten Weltkrieg. Diese hatten sich zwar als unwahr herausgestellt. Was allerdings nichts daran ändert, dass die Ausbeutung von etwa 200.000 Frauen laut Historikern Tatsache ist.

Für Japans Rechte aber war es die "Asahi Shimbun", die dem Ansehen ihres Landes in der Welt "schwer geschadet" habe. Man werde für ein "korrektes Geschichtsbild" sorgen, sagte Regierungschef Abe. Das saß. Die Botschaft an die Medien: Verscherzt es Euch nicht mit uns. Japans staatstragende Medien üben sich nun noch stärker denn je in "jishuku", (zu Deutsch: Selbstbeschränkung). Oder im "sontaku", was bedeutet, den Wunsch des anderen vorauszuahnen und entsprechend zu handeln - vorauseilender Gehorsam also.

Selbstzensur der Medien ist stärker geworden
Das alles ist zwar an sich nichts Neues in Japan. An konfrontativer Berichterstattung mangle es in dem Land nicht erst, seitdem Abe im Amt ist, erklärt Nakano. Die Selbstzensur der Medien sei aber stärker geworden. Dazu trägt auch das schon zu Kriegszeiten aufgebaute Presseclubsystem bei.

Jede wichtige Einrichtung in Japan, die als Nachrichtenquelle dienen könnte, hat einen kisha club (Presseclub). Für diese elitären Clubs gelten strenge Zulassungskriterien. Die hier vertretenen Medien erhalten exklusiven Zugang zu Informationen. Die Regierung wiederum kann über sie kontrolliert und gezielt Informationen in die Medien bringen und bestimmte Themen aus der Öffentlichkeit heraushalten.

"Besonders große Zeitungen und Fernsehstationen waren schon immer berüchtigt dafür, enge Beziehungen zu denen zu pflegen, über die sie mittels des Presseclubsystems berichten sollen", erklärt Professor Nakano. Doch inzwischen bekämen die Medien deutlichen Druck zu spüren. "Sie haben ihre Zähne verloren", so der Regierungskritiker.

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