350.000 Betroffene

1500 Euro für alle: Mindestlohn als Jobkiller?

Wirtschaft
25.02.2017 08:03

Die Vorgabe der Regierung ist klar: Bis Juli sollen die Sozialpartner eine Lösung aushandeln, durch die ein Vollzeit-Beschäftigter künftig in allen Branchen mindestens 1500 Euro brutto im Monat verdient. Schaffen sie das nicht, dann soll dieser Mindestlohn per Gesetz eingeführt werden. Über 350.000 Beschäftigte verdienen derzeit weniger, Betriebe befürchten mindestens 300 Millionen Euro Mehrkosten.

Umgelegt auf die Arbeitszeit würde das 8,67 Euro Stundenlohn bedeuten, rechnet das Institut Agenda Austria. Etwa 150.000 Vollzeit-Beschäftigte sowie über 200.000 Teilzeitkräfte würden dadurch mehr als bisher verdienen. Derzeit sind noch Dutzende Berufe selbst bei Vollzeitanstellung unter der 1500-Euro-Grenze (siehe Grafik oben). Für die Betriebe würde dies allerdings gut 300 Millionen Euro Mehrkosten bedeuten, rechnet die Wirtschaftskammer. Ein Abbau von Mitarbeitern wäre die unvermeidliche Folge.

Arbeitsmarktspezialist erwartet "nur geringe negative Effekte"
Differenziert sieht das Helmut Hofer, Arbeitsmarktspezialist des IHS: "Ich erwarte nur geringe negative Effekte, insbesondere wenn die Erhöhung nur schrittweise erfolgt. Etwa weil die Unternehmen motiviert wären, mehr in die Weiterbildung ihrer dann teureren Mitarbeiter zu investieren. Das würde die Produktivität erhöhen."

Überproportional könnten zudem Frauen profitieren, die oft in Niedriglohnbranchen arbeiten. Ihr Einkommensabstand zu den Männern würde somit etwas sinken. Allerdings warnt Hofer auch, dass "Arbeitslose bei höheren Mindestbezügen eventuell noch schwieriger zu Jobs kommen".

"Einige Branchen werden mit den Löhnen auch die Preise erhöhen müssen, was zu mehr Schwarzarbeit führt, z. B. bei Friseuren. Und dort, wo man die Kosten nicht weitergeben oder durch höhere Produktivität ausgleichen kann, wird eben mehr automatisiert", so Hofer.

Regelung über Kollektivverträge statt Einheitslösung per Gesetz
Generell plädiert der Wirtschaftsforscher daher, statt einer gesetzlichen Einheitslösung weiterhin branchenweise über die Kollektivverträge auf die 1500 Euro zu kommen. "Das nimmt besser auf die betrieblichen Anforderungen Rücksicht. Da bei uns 98 Prozent der Beschäftigten über Kollektivverträge erfasst sind, hätte das auch eine flächendeckende Wirkung."

Tatsächlich haben sich gerade im Schädlingsbekämpfungsgewerbe die Sozialpartner auf 1512 Euro Einstiegslohn ab März geeinigt, Tourismusbetriebe wollen im nächsten Kollektivvertrag ab 2018 statt 1420 Euro mindestens 1500 Euro bezahlen, im Handel gilt dies bereits seit 2015. Insgesamt wurden in vielen Berufen die Mindestbezüge seit 2009 etappenweise von damals 1000 Euro einvernehmlich deutlich angehoben.

Österreich läge mit 8,67 Euro künftig im Mittelfeld
Wo Kollektivverträge weniger verbreitet als bei uns sind, greift jedoch oft der Staat ein. 22 von 28 EU-Ländern haben gesetzliche Lohnuntergrenzen, zuletzt hat Deutschland 2015 einen Stundenlohn von 8,50 Euro (heuer auf 8,84 Euro erhöht) eingeführt. In Australien gelten umgerechnet 11,70 Euro, in den USA 6,53 Euro. Österreich läge künftig mit 8,67 Euro also im Mittelfeld.

Christian Ebeert, Kronen Zeitung

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