Sozialhilfe-Chaos

Justiz ermittelt weiter gegen Ex-Sozialstadträtin

Österreich
15.06.2017 18:55

Bereits seit sieben Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen die im Jänner zurückgetretene Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ): Weil ein Whistleblower und auch der Rechnungshof heftige Missstände im Mindestsicherungssystem aufdecken konnten, wurde Strafanzeige gegen die Ex-Politikerin wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs erstattet. Im (unwahrscheinlichen) Fall einer Anklage drohen mindestens sechs Monate Haft.

Allein die mittlerweile monatelangen Erhebungen samt Zeugeneinvernahmen zeigen, dass die Wiener Justiz die Causa Wehsely ziemlich ernst nimmt: Die Sozialstadträtin (46), die im Jänner zurücktrat und mit 1. April einen Manager-Job bei bei Siemens Healthcare in Erlangen (D) übernommen hat, ist seit Oktober des Vorjahres mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs konfrontiert. Nach § 320 Strafgesetzbuch drohen Sonja Wehsely im Falle einer Anklage sechs Monate Haft, für die Ex-Politikerin gilt die Unschuldsvermutung.

Schwere Mängel im Sozialsystem aufgedeckt
Wie die "Krone" exklusiv berichtete, war es in der Magistratsabteilung 40 - sie ist mit ihren Sozialzentren für die Auszahlung der Mindestsicherungsbeträge zuständig - üblich, auch an Ausländer, die keine aktuellen Personalausweise vorweisen konnten, Sozialgeld-Beträge auszuzahlen. In Wiens Sozialsystem war also die Verteilung von Steuergeld an Personen möglich, deren Identität nie wirklich geklärt war. Dieses Faktum kritisierte sowohl ein Mitarbeiter der MA 40 in einem "Krone"-Interview, als auch kurz darauf der Rechnungshof in seinem Rohbericht GZ 004-411/004-3A3/16.

"Der Amtsmissbrauch kann natürlich auch durch Unterlassen bestehen - wenn also ein Vorgesetzter der Hoheitsverwaltung von Gesetzesverstößen weiß, aber diese weiter zulässt", erklärt ein Jurist zu dieser Causa. Und er betont: "Auch die Untergebenen sind nicht damit entschuldigt, dass der Amtsmissbrauch auf Weisung eines Vorgesetzten begangen worden wäre."

Mit Steuergeld den Lebensunterhalt von Illegalen finanziert
Der Rechnungshof lieferte der Staatsanwaltschaft Wien noch einen Kritikpunkt, der für eine Anklage wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs bedeutend sein könnte: So mussten die Beamten der MA 40 auch an jene Ausländer 837,76 Euro monatlich auszahlen, deren Aufenthaltsberechtigungen längst abgelaufen waren - Wien finanzierte also mit Steuergeld den Lebensunterhalt von Illegalen (siehe Faksimile oben).

Die Kosten für die Mindestsicherung in Wien steigen heuer auf mehr als 700 Millionen Euro (2012: 367 Millionen Euro), für 2021 kalkuliert der Rechnungshof Ausgaben von 1,6 Milliarden Euro.

Richard Schmitt
Richard Schmitt
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