Schuldspruch in NÖ

Stiefbruder erschossen: Es war fahrlässige Tötung

Österreich
22.03.2017 16:28

Es war ein Fall mit vielen Wendungen - ebenso verlief der Prozess, der am Mittwochnachmittag in Niederösterreich sein Ende fand: War der 45-jährige Angeklagte zunächst wegen versuchten Mordes - er soll seinen Stiefbruder absichtlich in den Kopf geschossen haben - auf der Anklagebank gesessen, rückte die Staatsanwältin am letzten Prozesstag von ihrer Mordanklage ab und ging nur noch von fahrlässiger Tötung aus. So sahen es schließlich auch die Geschworenen: ein Jahr Haft wegen fahrlässiger Tötung. Der Wiener Banker wurde unmittelbar nach dem Urteil auf freien Fuß gesetzt.

Zum tödlichen Unfall kam es in der Nacht auf den 18. September 2015 im Wiener Bezirk Währing. Die beiden Stiefbrüder hatten dem Alkohol zugesprochen, als der 45-Jährige dem späteren Opfer eine seiner beiden Waffen zeigte. Dabei löste sich ein Schuss, der den 42-Jährigen in den Kopf traf: Der 42-Jährige war sofort tot.

Angeklagter sprach stets von Unfall
Stets hatte der Beschuldigte beteuert, dass es sich dabei um einen schrecklichen Unfall gehandelt habe. Der 45-Jährige wurde zunächst in U-Haft genommen, später wieder entlassen. Im Oktober dann die nächste Wende in dem Fall: Aufgrund einer Blutspurenmusteranalyse erhärtete sich der Verdacht gegen den Beschuldigten, seinem Stiefbruder gezielt in den Kopf geschossen zu haben. Der 45-Jährige wurde daraufhin erneut in U-Haft genommen und des Mordes beschuldigt.

So lautete auch zunächst die Anklage gegen den Banker aus Wien - bis zum dritten und letzten Verhandlungstag. Da rückte Staatsanwältin Gudrun Bischof deutlich von ihrer Mordanklage ab: "Es ist eine Tatsache, dass sich Beweismittel in den vergangenen beiden Tagen anders als bisher dargestellt haben", räumte sie ein. So war die Blutspuren-Analytikerin im Vorfeld davon ausgegangen, dass der angeklagte Banker zum Zeitpunkt der Schussabgabe sich an einem anderen als dem von ihm angegebenen Ort befunden haben musste.

Gutachterin musste Möglichkeit von Unfallgeschehen einräumen
Die Gutachterin hielt den vom 45-Jährigen beschriebenen Tathergang für weniger wahrscheinlich als ihre Hypothese, derzufolge sich der Banker hinter bzw. neben der Küchenzeile befunden und im Stehen geschossen haben müsste, was nach Ansicht der Analytikerin auf ein beabsichtigtes Schießen hindeutete. Diese Schlussfolgerung konnte sie schlussendlich nicht mehr aufrechterhalten. Ein Unfallgeschehen aus der vom Angeklagten geschilderten Position - der 45-Jährige will auf einem gegenüberliegenden Barhocker gesessen sein - wäre "möglich", meinte sie.

Verteidiger Rudolf Mayer zollte der Staatsanwältin Respekt für ihre Entscheidung: "In 36 Jahren als Verteidiger habe ich es erst ein einziges Mal erlebt, dass ein Staatsanwalt diese Größe hat. Das ist Fairness pur. 90 Prozent wären aufgestanden und hätten weiter geschrien", bemerkte Mayer.

Wiener Banker auf freien Fuß gesetzt
Auch vonseiten der Geschworenen wurde schließlich einstimmig die Mordanklage verworfen und der 45-Jährige wegen grob fahrlässiger Tötung zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Alle acht Laienrichter glaubten dem Wiener Banker, dass es sich bei dem Geschehen um einen Schießunfall gehandelt hatte. Er wurde unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Da ihm die rund neun Monate, die er in Untersuchungshaft verbracht hatte, auf seine Strafe anzurechnen waren, bekam er die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe gerichtlich bewilligt.

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