Das Psychogramm

Terrorist (17): Vom Milchbubi zum IS-Fanatiker

Österreich
23.01.2017 06:00

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Der in Wien verhaftete IS-Fanatiker ist Mitglied einer Terrorzelle! In Deutschland wurde ein Komplize unseres "Bubi-Bombers" gefasst. Während der 17-jährige Abu Chaker - so sein Kampfname - einen Sprengstoffanschlag in der U-Bahn-Station am Westbahnhof geplant haben soll, wollte sein Mittäter deutsche Soldaten oder Polizisten in die Luft jagen.

Mit 14 lachte er über die schrägen gelben Trickfilmfiguren "Minions", hörte deutsche Rapmusik, saß - wie andere Heranwachsende auch - bei Ego-Shooter-Games ("Schießspielen") am Computer und tollte mit Familien-Pitbullhündin "Shira" herum.

Früher Rosenkranzkette mit Kreuz
Früher hatte Lorenz K. eine Rosenkranzkette mit Kreuz. Jetzt ist er auf seinem Tarnprofil im Internet Fan eines bei uns zu 20 Jahren Haft verurteilten Hasspredigers. Während seine Mutter etwa die Anschlagsserie in Paris Ende 2015 verurteilte, pries Lorenz K. mit einem Bombensymbol im Internet das IS-Massaker in einem amerikanischen Nachtclub im Sommer 2016 mit 49 Toten.

Früher wollte Lorenz K. einfach "cool" sein. Jetzt, mit 17 Jahren, sitzt im Verhör ein zorniger bekennender Gotteskrieger vor den Ermittlern. Einer der stolz, als Treueschwur zum IS, seinen Ring mit Symbolen der Terrorgruppe zeigt. Binnen zwei, drei Jahren wurde aus einem Milchbubi ein IS-Fanatiker.

Der Versuch eines Psychogramms
Aber was ist passiert im Leben eines eigentlich ganz normalen Jugendlichen? Wie und wann wurde er derart radikalisiert? Der Versuch eines Psychogramms: Lorenz K. - für ihn gilt die Unschuldsvermutung - besuchte mit seinem Bruder die frühere Haupt- und nunmehrige Medienmittelschule in seiner niederösterreichischen Heimatstadt Neunkirchen. Er galt als "fauler Schüler, aber nicht schwierig".

Doch langsam beginnt er über falsche Freunde in die Kleinkriminalität abzugleiten. Schlägereien, Diebstahl - Jugendgefängnis Gerasdorf (NÖ). Möglicherweise hat Lorenz K. hinter Gittern erstmals Kontakt mit dem extremistischen Islam. Bei vielen Reisen nach Deutschland verstrickt er sich tiefer in Salafistenkreise, radikalisiert sich immer mehr.

Gefahr noch nicht vorbei, Warnungen sind aufrecht
Und die Terrorgefahr besonders für den Ballungsraum Wien ist noch nicht vorbei. Polizeigeneral Karl Mahrer bestätigt: "Wir haben unsere Präsenz auf Verkehrsknotenpunkten, Bahnhöfen, Einkaufsstraßen und öffentlichen Plätzen verstärkt."

Dass die erhöhte Alarmstufe berechtigt ist, zeigt auch die Wohnungsstürmung eines Spezialkommandos samt Verhaftung eines deutschen Terror-Komplizen des Wiener "Bubi-Bombers" wegen des Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Islamist aus der Stadt Neuss in Nordrhein-Westfalen soll Sprengstoffanschläge auf Bundeswehrsoldaten und Polizisten geplant haben.

Durch Jugendstrafrecht drohende Haft halbiert
Indes wurde Lorenz K. am Sonntagabend ins Landesgericht Wien eingeliefert, über die (wohl fixe) U-Haft wird aber erst am Montag entschieden. Weil er erst in wenigen Tagen 18 ist, gilt für ihn das Jugendstrafrecht. Üblicherweise wird die Höchststrafe de facto auf die Hälfte halbiert. Damit drohen ihm wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung statt zehn "nur" fünf Jahre Haft ...

Kind des Zorns: Wer ist Lorenz K.?
Die Spurensuche im Leben von Lorenz K., der einst mit seinen Eltern und dem Bruder aus der albanischen Stadt Tirana nach Österreich kam, gestaltet sich in den Anfangsjahren des Heranwachsens vom Kind zum Jugendlichen unauffällig. Normaler Musik- und Filmgeschmack, Familienhündin "Shira".

Dann die ersten Warnhinweise: Körperverletzung, Diebstahl, Jugendgefängnis. Die Symbole werden nach der Haft radikaler: Ebu Tejma, der Hassprediger und IS-Rekrutierer aus dem Wiener Gemeindebau, ist fortan das Idol des Arbeitslosen. Vielleicht sucht er nach der Trennung der Eltern noch mehr Halt im radikalen Islam. Schließlich, am Freitag um 18.03 Uhr, die Festnahme wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Christoph Budin, Matthias Lassnig, Florian Hitz und Richard Schmitt,
Kronen Zeitung

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