Ruf nach Neuwahlen

Es geht nicht mehr – aber gewählt wird auch nicht

Österreich
20.03.2017 16:58

Es ist ein Angebot, das die Regierung in ihrem derzeitigen Zustand nicht abzulehnen bräuchte: Salzburgs ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat am Montag vorgeschlagen, die Nationalratswahlen um ein Jahr, auf den heurigen Herbst, vorzuverlegen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wollen jedoch noch nicht so rasch wählen, wie beide auf Nachfrage der "Krone" beteuern. Man komme ganz gut voran, sagen sie. Dass zwischen den Koalitionspartnern nichts mehr geht, haben sie nicht gesagt. Zumindest vorerst nicht.

Eine Aufzählung der Streitigkeiten zwischen den Koalitionsparteien lediglich seit Beginn dieses Jahres würde hier den Rahmen sprengen. Nur zwei Beispiele von unlängst: der Konflikt um das Auftrittsverbot für türkische Politiker und Beschränkungen für das Demonstrationsrecht zwischen Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) oder die Sonntagsidee von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) für eine Einschränkung heimischer Sozialleistungen für EU-Bürger, über die SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder mit dem Koalitionspartner nicht einmal mehr reden will.

Für Haslauer eine "reine Sachlichkeitsüberlegung"
In diese Stimmungslage hätte der Vorschlag von Haslauer, die Nationalratswahlen bereits heuer im Herbst abzuhalten, gut hineingepasst. Einen Tag nach dem "Pressestunde"-Auftritt von ÖVP-Star Kurz taktisch gut platziert erklärt Haslauer, dass diese Vorverlegung für ihn eine "reine Sachlichkeitsüberlegung" sei. Diese von ihm nicht zum ersten Mal öffentlich geäußerte Ansicht habe nichts damit zu tun, dass im April oder Mai 2018 die Salzburger Landtagswahl stattfindet - nur eine Landtagswahl von einer ganzen Serie im kommenden Frühjahr.

In diesem Zusammenhang gibt es in der SPÖ übrigens erste sehr vorsichtige Überlegungen, die Nationalratswahlen mit den Landtagswahlen in Salzburg, Niederösterreich, Kärnten und Tirol auf einen gemeinsamen Superwahltag zu bündeln.

Landeshauptmann Haslauer bemüht in seiner Erklärung, weshalb er für frühere Nationalratswahlen wäre, das bekannte Argument, dass Österreich in der zweiten Jahreshälfte 2018 den EU-Vorsitz übernimmt. Und eben die genannten vier Landtagswahlen im Frühjahr sowie dass er nichts davon halte, Bundesthemen mit Landesthemen zu vermengen.

Kanzler will Vertrag bis Herbst 2018 erfüllen
In der Umgebung von Bundeskanzler Kern will man von einer Vorverlegung der Nationalratswahlen nichts wissen. Die zuletzt immer öfter auftauchenden Unstimmigkeiten mit dem Koalitionspartner werden als überwindbar bezeichnet. Der SPÖ-Chef zieht sich dabei auch auf die formale Position zurück, wonach man einen bis Herbst 2018 gültigen Koalitionsvertrag habe, den man auch erfüllen wolle.

Ziemlich ähnlich hört sich die Argumentation von Vizekanzler Mitterlehner an. Trotz sich zuletzt wieder häufender Schwierigkeiten mit dem Koalitionspartner sieht der ÖVP-Chef die Probleme auch als überwindbar an. Mitterlehner meint, das sei "alles lösbar", man habe jetzt ein sehr gutes neues Programm für die Regierung, das er gemeinsam mit dem Kanzler abarbeiten wolle.

Koalition hätte noch Themen bis Dezember
Die Fristen für das im Jänner unter viel Getöse und Neuwahldrohungen vereinbarte Regierungsprogramm laufen allerdings faktisch im Dezember aus. Da stehen noch Themen wie ein Ausbauplan für die psychische Gesundheitsversorgung, die Ökostrom-Novelle und das Cybersicherheitsgesetz an. Danach könnten sich SPÖ und ÖVP in Richtung auch offiziell geführtem Wahlkampf verabschieden, heißt es aus Regierungskreisen. Vorerst wolle man aber "entgegen aller Spekulationen weiterarbeiten", heißt es aus den ersten Reihen der beiden Koalitionsparteien.

"Alte ÖVP-Strategie von Wolfgang Schüssel"
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) hat sich am Montag jedenfalls dafür ausgesprochen, dass die Regierung weiterarbeiten soll. Dieses Vertrauen verknüpft Niessl jedoch mit einer mehr oder weniger subtilen Attacke gegen die ÖVP, die dem Ersten in der Koalition, also der SPÖ, nur keinen Erfolg gönnen wolle. Das sei eine "alte ÖVP-Strategie von (Ex-Bundeskanzler) Wolfgang Schüssel". Und weil nun Bundeskanzler Kern in den Umfragen sehr gute Werte erziele, wolle ihm die ÖVP schaden, so Niessl. Aber eigentlich sollte "die Regierung vor lauter Arbeiten gar nicht zum Nachdenken kommen, dass wir Neuwahlen machen", sagt Niessl.

Tatsächlich wird die Stimmung zwischen Kanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner von beiden Seiten als "von einigen Ausnahmen abgesehen ziemlich gut" beschrieben. Auch das Arbeitsverhältnis zwischen SPÖ-Kanzleramtsminister Drozda und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wird aus deren Umfeld als "konstruktiv und angenehm" bezeichnet.

Claus Pándi, Kronen Zeitung

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