Im Nahen Osten

Die große Friedensfahrt am Jordan

Reisen & Urlaub
07.05.2017 10:55

Der Sport ist der beste Friedensbotschafter, sagt Österreichs Rad-Veteran Gerhard Schönbacher. Mit einer Tour durch Israel und seine Nachbarländer möchte er einen Beitrag zur Versöhnung im Nahen Osten leisten.

Sechsspurig wälzt sich die Blechlawine über die Hügel von Amman. In diesen Straßen gilt das Recht des Stärkeren, und niemand ist so verrückt, hier Fahrrad zu fahren. Niemand außer Gerhard Schönbacher.

Der 63-jährige Steirer ist bekannt für seine verrückten Ideen - und dafür, sie zu verwirklichen: Mit abenteuerlichsten Tricks eroberte er bei der Tour de France zweimal (1979 und 1980) die Rote Laterne des letzten gewerteten Fahrers. Später erfand er die Crocodile Trophy, ein halsbrecherisches Radrennen quer durch Australien. Jetzt ist Gerhard in der jordanischen Hauptstadt, um die internationale Rad-Szene auf sein neuestes Projekt einzuschwören: eine Friedenstour durch den Nahen Osten.

"Der Sport spricht für sich"
Ist es möglich, Israel und seine Nachbarn an einen Tisch zu bringen, um Radfahrern aus aller Welt freies Geleit, sichere Straßen und Gastfreundschaft zu bieten? Der sture Gerhard glaubt fest daran. Als er vor vier Jahren die Idee hatte, erklärten ihn alle für verrückt, erinnert er sich. Und fügt hinzu: "Das hat mich motiviert!"

Gerhard sicherte sich die Rückendeckung der Politik - und holte Geoffrey R. Hoguet an Bord. Der steinreiche Spross der Rothschild-Dynastie hat einen Narren gefressen an der Friedenstour, greift seinem österreichischen Freund unter die Arme, wo es geht. Es ist ein erster Testlauf, bevor es im März 2018 offiziell losgeht. Bis zu 500 Sportlern möchte Gerhard das Abenteuer ermöglichen. Die Politik möchte er aussparen, so gut es geht. "Der Sport kann für sich sprechen und die Menschen direkt zusammenbringen", ist er sich sicher.

Die Arena von Amman
In der riesigen Arena von Amman, vor fast 2000 Jahren von den Römern erbaut, geht es los. Ein Dutzend Radfahrer schwingt sich auf die Rennmaschinen. Der Star unter ihnen: Annemiek van Vleuten. Die Holländerin wurde bei Olympia 2016 berühmt, als sie, in Führung liegend, schwer stürzte. Alle in der Runde haben die grässlichen Bilder noch im Kopf, die damals um die Welt gingen. Alle staunen, wie schnell Annemiek es zurück geschafft hat an die Spitze. Sie wird zum lachenden Gesicht dieser Schnuppertour, die auf wunderschönen Routen und tadellosen Straßen an die atemberaubendsten Orte einer legendenumwobenen Weltgegend führt.

Von Petra zum Roten Meer
Vom Toten Meer geht es hinauf nach Petra, von 400 Metern unter dem Meer auf 1300 Meter darüber. Keine Etappe für Untrainierte, so viel ist gewiss, doch als Lohn wartet die berühmte Felsenstadt der Nabatäer: unwirkliche Felsgebilde in allen Farbtönen, von Menschenhand und Naturgewalt für die Ewigkeit geschaffen. Schwer beeindruckt machen sich die Pedalritter auf zum Roten Meer. Dort haben sich Jordanier und Israelis mit Akaba und Eilat ihre jeweiligen Hotelparadiese geschaffen. Baden kann man fast das ganze Jahr über, schwärmen die Touristiker. Aber zum Baden sind wir nicht hier.

Neve Zohar am Toten Meer
In Israel wendet sich der Tross wieder nach Norden. Wüste, soweit das Auge reicht. 40 Millimeter regnet es im Ramon-Krater jährlich, und die Trockenheit des berüchtigten Negev zehrt an den Fahrern. Der Reporter, der am Morgen hochmotiviert aufs Rad gestiegen ist, muss nach der dritten Steigung abreißen lassen und feststellen: Was diese gestählten Körper - unter ihnen auf dieser Etappe auch Österreichs Israel-Botschafter Martin Weiss - leisten, hat mit Radfahren im landläufigen Sinn kaum etwas zu tun. 35 Grad hat es im Schatten. Nur dass es hier weit und breit keinen Schatten gibt. Beim steilen Anstieg hinauf nach Mitzpe Ramon zerfällt die Gruppe. Jeder geht sein Tempo, zählt die Pulsschläge. Abends kehren wir ein in Neve Zohar am Toten Meer, da werden die geschundenen Glieder in der Schwerelosigkeit des Salzwassers verwöhnt.

Von Jericho nach Jerusalem
Und das Ziel ist nah! 112 Kilometer noch bis Jerusalem. Bald werden wir am Jaffator ankommen, die Räder durch die Altstadt schieben, den Zug der orthodoxen Juden zur Klagemauer beobachten und dem Muezzinruf zum Freitagsgebet lauschen. Doch zuvor wagen wir einen Abstecher nach Jericho, mitten hinein ins Westjordanland, ins Land der Palästinenser. Den Israelis unter uns ist ganz und gar nicht wohl bei der Sache, doch der herzliche Empfang auf der anderen Seite des Checkpoints lockert die Stimmung.

Junge Palästinenser radeln ein Stück mit den Gästen aus aller Welt. Ob sie glauben, dass die Friedenstour etwas bewegen kann, frage ich sie später beim Mittagessen. "Ich weiß nicht, ob sich in der Politikviel ändern wird", erklärt Ahmed, 20-jähriger Architekturstudent aus Ramallah. "Ich weiß nur, dass ich vor diesem Tag noch nie neben einem Israeli am Tisch gesessen bin, und das ist doch ein guter Anfang." Ein schöneres Kompliment hätte Ahmeddem sturen Gerhard aus Österreich nicht machen können.

Matthias Wagner, Kronen Zeitung

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