Zufall entscheidet

Flugzeug ist überbucht – wer fliegt dann raus?

Reisen & Urlaub
13.04.2017 14:14

Der Fall United Airlines zeigt es: Gerade zu Feiertagen und in den Ferien überbuchen Fluglinien ihre Maschinen systematisch. Weil auf dem Flug der US-Fluglinie von Chicago nach Louisville Platz für Mitarbeiter benötigt wurde, wurde ein Passagier sogar brutal aus der Maschine gezerrt. Ein Extremfall zwar, doch müssen nicht nur US-Passagiere leider grundsätzlich damit rechnen, an der Teilnahme von Flügen gehindert zu werden. Was Sie wissen sollten und wie Sie im Falle des Falles zu Ihrem Recht kommen.

"Nichtbeförderung ist die Weigerung eines Luftfahrtunternehmens, einen Fluggast zu befördern, obwohl sich dieser unter den oben unter der Überschrift "Anwendungsbereich" genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind ...", heißt es auf der Homepage der Austrian Airlines zum Thema Überbuchung.

Überbuchungen - längst gängige internationale Praxis
Nicht immer ist also ein Nichterscheinen des Passagiers Grund dafür, dass dieser am Boden bleiben muss. Es ist gängige internationale Praxis: Fluglinien überbuchen Flüge bewusst, vergeben also mehr Plätze als das Flugzeug aufweist. Dies scheint absurd, ergibt aber bei näherem Hinsehen für die Fluglinien durchaus Sinn: Viele Passagiere erscheinen - trotz Buchung - nicht (rechtzeitig) am Gate oder nehmen schlichtweg nicht am Flug teil ("No Shows"). Tausende Sitzplätze bleiben jährlich leer.

Um die Maschinen jedoch auszulasten, werden vonseiten der Airline regelmäßig Flüge überbucht - sehr ärgerlich, wenn doch alle Passagiere am Flug teilnehmen wollen. Sandra Rosenberg, COO von refund.me: "Eine Überbuchung entsteht, wenn es weniger sogenannte No-Shows gibt, als es die Airline erwartet hat. Die Airline realisiert meist erst am Abflugtag, dass sie nicht allen gebuchten Passagieren einen Platz auf dem Flug anbieten kann. Dies passiert in der Regel allerdings bereits beim Check-in oder vor dem Boarding-Prozess und nicht erst wenn die Passagiere an Bord sind."

Überbuchungen häufiger auf Kurzstreckenflügen
Stefanie Müller von flightright.de, einem Verbraucherportal für die Durchsetzung von Fluggastrechten, zu krone.at: "Im Prinzip kommen Überbuchungen häufiger auf kurzen Flügen, der Kurzstrecke, vor. Generell gehen alle Fluggesellschaften dort von einer höheren No-Show-Rate aus (...) und haben weniger Möglichkeiten durch Upgrades noch freie Plätze zu besetzen." Low-Cost-Airlines würden dabei deutlich häufiger überbuchen und - im Gegensatz zu renommierten Airlines, die eher Ersatzbeförderungen bereitstellen würden - nur den Flugpreis erstatten. Allerdings wären auch immer öfter renommierte Airlines von Überbuchungen betroffen, "wenn ihnen nicht mehr genug Flugzeuge zur Verfügung stehen, um alle Buchungen einzuhalten".

Wer gehen muss, entscheidet die Airline
Wurden für einen Flug zu viele Plätze vergeben als vorhanden sind, startet die Fluggesellschaft "eine sogenannte Freiwilligensuche. Sie spricht Passagiere aktiv an und bietet ihnen einen Fluggutschein oder eine Barauszahlung an, wenn sie sich bereit erklären, einen späteren Flug zu nehmen. Melden sich auf dieses Angebot nicht genug Freiwillige, entscheidet die Fluggesellschaft, welcher Passagier das Nachsehen hat. Menschen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen und unbegleitete Kinder haben in diesem Fall das Vorrecht auf einen Platz. Des weiteren werden die Passagiere mit Vielfliegerstatus bevorzugt befördert", so Rosenberg von refund.me weiter.

Wer, im Extremfall, seinen Platz für andere Fluggäste räumen müsse, entscheide die jeweilige Airline. "Unserer Erfahrung nach handhaben die Airlines das unterschiedlich. Es liegt aber in deren Ermessensspielraum", so Müller. Rosenberg: "Sollte ein Passagier tatsächlich einmal beim Einstieg feststellen, dass sein Sitzplatz bereits vergeben ist, bietet es sich ein, erst einmal die Crew anzusprechen, ob nicht ein Fehler in der Vergabe der Sitzplätze vorliegt und ein anderer Sitzplatz frei bleibt. Wenn mehr Passagiere an Bord sind als geplant, entscheidet wiederum die Crew wer an Bord bleiben darf und wer nicht. In jedem Falle steht den Passagieren dann eine finanzielle Wiedergutmachung zu."

Ausgleichszahlungen sollen Kunden besänftigen
"Ehe wir Fluggästen die Beförderung verweigern, versuchen wir zunächst, Fluggäste gegen eine entsprechende Gegenleistung zum freiwilligen Verzicht auf ihre Buchungen zu bewegen", heißt es auch bei den Austrian Airlines. Würden sich nicht genügend Freiwillige finden, und die Beförderung gegen ihren Willen verweigert werden, würden Ausgleichsleistungen geboten, die zwischen 250 Euro (bei Flügen bis zu einer Entfernung von 1500 Kilometern) und 600 Euro (bei Flügen über eine Entfernung von mehr als 3500 Kilometern) lägen. Die Beiträge würden sich jedoch reduzieren, wenn "eine andere Beförderung" angeboten werden könne, die "nicht später als zu den oben unter 'Verspätungen' genannten Zeiten erfolgt". Weiters würden u. a. Flugscheinkosten erstattet, sowie Mahlzeiten und Hotelunterbringung geboten.

"Namen geben lassen"
Stefanie Müller von flightright.de: "Wenn Fluggäste einfach einen Gutschein in die Hand gedrückt bekommen, sollten sie deutlich machen, dass sie nicht freiwillig zurückgetreten sind und den Gutschein nicht als Gegenleistung für eine freiwillige Nichtbeförderung akzeptieren. Wichtig ist auch, sich immer den Namen und die Stellung der Airline-Mitarbeiter geben zu lassen, die den Fluggästen Informationen zur Überbuchung mitteilt. So lässt sich im Fall der Fälle vor Gericht nachweisen, dass die Airline etwas offiziell kommuniziert hat."

Viele Passagiere kennen ihre Rechte auf Entschädigung nicht
refund.me, der internationale Dienstleister für die Rechte von Fluggästen, rechnet allein in Deutschland über die Osterfeiertage mit mehr als 500 überbuchten oder massiv verspäteten Flügen. Tausende Fluggäste werden nicht an Ihr Ziel, oder nicht pünktlich von ihrem Ferienort zurück nach Hause, kommen. Viele Airlines würden infolge versuchen, betroffene aber unwissende Passagiere mit Gutscheinen billig abzuspeisen - zu Unrecht!

"Nur etwa zehn Prozent der betroffenen Passagiere kennen ihre Rechte auf Entschädigung", sagt Rosenberg. Die Rechtslage ist eindeutig: Die-EU-Verordnung 261/2004 sieht bei Überbuchungen, Flugausfällen oder Verspätungen von mehr als drei Stunden Entschädigungszahlungen zwischen 125 und 600 Euro vor.

Dabei ist es egal, ob die Reisenden Pauschalreisende, Billigflieger, Dienstreisende oder Kinder sind oder mit kostenlosen Tickets aus einem Kundenbindungs- oder Werbeprogramm fliegen. Für "alle Fluggäste, die über eine bestätigte Buchung und ein Ticket verfügen und die auf einem EU-Flughafen ihren Flug antreten, aber auch solche, die auf einem EU-Flughafen landen, vorausgesetzt die Airline sitzt in der EU", würde die EU Verordnung gelten, heißt es dazu auf flightright.de .

Experte rät: Sichern Sie Beweise
Rosenberg rät: "Sichern Sie alle Unterlagen, machen Sie Fotos am Flughafen von den Anzeigetafeln und lassen Sie sich nicht mit Gutscheinen abfertigen. Sie haben gute Chancen eine höhere Entschädigung zu bekommen. Ihre Ansprüche können Sie auch noch bis zu drei Jahre nach dem Vorfall durchsetzen." flightright.de empfiehlt zusätzlich, sich von der Fluggesellschaft den Umbuchungsgrund bestätigen zu lassen und sämtliche Belege aller Ausgaben, Gutscheine, Tickets, etc. aufzubewahren. Außerdem wird angeraten, Kontaktdaten mit anderen Reisenden auszutauschen und auf die Versorgungsleistungen am Flughafen zu bestehen.

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