Hochgebirgsflair

Georgien – Kirchen, Klöster, Pulverschnee!

Reisen & Urlaub
06.03.2017 16:57

Kirchen, Klöster, Skitourengeher findet man im Winter auf allen Alpengipfeln. Wer aber freie Hänge und einsame Berge sucht wird im Kaukasus fündig. Nach nur vier Stunden Flugzeit ist die Grenze Europas erreicht. Willkommen in Georgien.

Tiflis ist eine faszinierende Stadt und das Zentrum Georgiens. Windschiefe einsturzgefährdete Gebäude in der Altstadt stehen neuen Prunkbauten wie dem Museum für moderne Kunst oder der auffällig über den Metekhi-Fluss geschwungenen Friedensbrücke gegenüber. Und über allem thront "Kartlis Deda, die "Mutter Georgien", wie die Aluminiumstatue hoch über der Stadt genannt wird. Doch Tiflis mit seinem pulsierenden Nachtleben muss warten. Wir wollen in den Schnee. Rein ins nächste "Marschrutka", ein kleines Sammeltaxi, und ab geht die Reise in Richtung Gudauri, den Wintersportort südlich des Kaukasus.

Vorbei an Georgiens früheren Hauptstadt
Unsere Fahrt führt vorbei an der mehr als 3000 Jahre alten Stadt Mzcheta, der früheren Hauptstadt, und unzähligen Kirchen und Klöstern wie der Swetizchoweli-Kathedrale, die zum UNESCO-Welterbe zählt, oder dem georgisch-orthodoxen Dschwari-Kloster, dessen Wurzeln bis in das 4. Jahrhundert zurückreichen sollen. Nach 120 Kilometer Autofahrt auf der holprigen georgischen Heeresstraße ist Gudauri in 2196 Meter Seehöhe erreicht. Meterhoch türmen sich die Schneemassen links und rechts der Fahrbahn.

Sessellifte bis auf 3279 Meter
Das Skigebiet lockt mit mehr und auch weniger modernen Sesselliften bis auf 3279 Meter hinauf. Doch wir haben unsere Tourenskier mit und wollen abseits der Pisten Schwünge durch Pulverschnee ziehen. "Die meisten Bergsteiger kommen wegen der hohen Kaukasus-Riesen nach Georgien und lassen die vielen anderen Gipfel, die mit weit mehr Erlebnissen und Emotionen verbunden sind, oft völlig außer Acht", erklärt Reiseorganisator Peter Unterluggauer, der ein erfahrener Bergführer ist.

Tags darauf tauchen die ersten Sonnenstrahlen die Gipfel des Großen Kaukasus in warmes Rot. Unser Tagesziel führt nicht auf einen der vielen Dreitausender, sondern hinauf auf die 2453 Meter hohe Lomisa an der Grenze zum russisch annektierten Südossetien. Umringt von Bergen, finden wir mitten im Nichts ein kleines Kloster, in dem uns Mönche wortkarg empfangen, georgischen Tee anbieten und in die kleine Kapelle einladen, um uns eine 25 Kilogramm schwere riesige Eisenkette um den Hals zu legen. Um Buße zu tun, sollen wir den Altar dreimal umrunden.

Am Fuße des 4858 Meter hohen Tetnuldi
Mehr noch als auf Gudauri freuen wir uns auf Swanetien, wo kaukasisches Hochgebirgsflair auf uns wartet. Mit dem Nachtreisezug geht es zuerst von Tiflis nach Sugdidi nahe dem Schwarzen Meer, um mit einem Marschrukta nach Mestia in die Berge zu fahren. Schon von weitem sind die mittelalterlichen swanetischen Wehrtürme zu sehen. Verteidigungsbauwerke von Familienverbänden, die sicherlich schon viel erlebt haben. Touristisch ist im Winter im sommerlichen Wanderparadies Swanetien recht wenig los, doch wir unternehmen einige Skitouren und carven dabei von Berggipfeln unterhalb des 4858 Meter hohen Tetnuldi und der 4737 Meter hohen Uschba, vorbei an Pferdefuhrwerken zurück in unsere Unterkunft, ein gemütliches Gästehaus.

Am "Georgischen Tisch"
Tags darauf geht das Kaukasus-Abenteuer weiter: Mit einem Geländewagen und unserem Fahrer Meiser, der auf einem Spickzettel fünf Wörter auf Englisch stehen hat und damit alle Probleme bestens löst, fahren wir nach Ushguli, das auf 2100 Meter Seehöhe liegende und damit höchste dauerbesiedelte Dorf Europas. Mehr als zehn Kilometer vor unserem Ziel wird unsere Anreise von mehreren Lawinen gestoppt, welche die Schotterpiste verschütteten. Mit unseren Skiern wandern wir weiter und werden dafür mit einer unglaublichen Gastfreundschaft belohnt: Denn bei widrigsten Verhältnissen werden wir von einer der 80 Familien, die hier oben scheinbar am Ende der Welt leben, zu einem "Georgischen Tisch" eingeladen, ein Zeremoniell alter Tradition.

"Gaumardschoss!", (Sei siegreich) hebt der Familienvater, ein Grenzsoldat, das Glas und prostet uns zu. Er ist der "Tamada" und damit mit der Tischführung betraut sowie für das Wohlergehen seiner Gäste verantwortlich. Stehend und mit erhobenem Glas spricht der Tamada verschiedenste Trinkwünsche auf sein Vaterland Georgien, Kinder, Frauen, Nachbarn, Gäste, Frieden und Schutzheilige. Der Wein fließt, und Khachpuri (Brot mit Käse gebacken), Khinkhali-Teigtaschen und Schaschlik schmecken hervorragend, während wir aus den kleinen Fenstern zum Schchara-Gipfel hinaufblicken, dem mit 5200 Metern höchsten Berg Georgiens. Die Männer stimmen lautstark das georgische Volkslied "Suliko" an. Was für eine unglaubliche Gastfreundschaft. Und wir bleiben länger als geplant. Reiseorganisator Unterluggauer: "Versuche nie, in den Ländern des Ostens genau zu planen, denn die Länder haben immer einen anderen Plan mit dir."

In Tiflis' Bädern
Ausgestattet mit einem 70-Euro-Ticket und unzähligen Höhenmetern in den Beinen, fliegen wir mit einem Propeller-Flugzeug von Mestia zurück nach Tiflis. Erholung ist angesagt; mit einem Besuch des "Royal Bath", eines der typischen traditionellen Schwefelbäder von Tiflis. Immerhin stammt selbst der Stadtname von diesen Thermen: Tbilisi, wie Tiflis auf Georgisch genannt wird, bedeutet "heiße Quelle". Völlig unerwartet steht ein dickbäuchiger Hüne mit riesigen Händen in unserem Privatraum, einem mit großen und hübschen Kacheln verzierten Bad, und macht sich wortkarg nackig, bevor er sich uns als Masseur vorstellt und auf die harte Steinbank hindeutet. Eine ungewöhnliche Massage mit Kratzhandschuh, die jedoch das Badeerlebnis vollkommen machen soll. Ein Erlebnis, und immerhin soll schon der russische Dichter Alexander Puschkin gesagt haben: "Nicht in Russland, nicht bei den Türken, fand ich, seit ich lebe, Köstlicheres als Tiflis' Bäder".

Aufgeladen mit neuer Energie, aber ohne Skier brechen wir zu einer Stadttour auf. Statt mit der Standseilbahn wandern wir zu Fuß durch die Altstadt, durch die einst die Seidenstraße führte, zur Metechi-Kirche der georgischen Könige und hinauf zur "Nariqala", der einstigen Festung der georgischen Hauptstadt, von der heute nur noch Ruinen zeugen.

Bevor wir wieder Richtung Heimat abheben, steht ein Besuch von Gori auf dem Programm, der Geburtsstadt des Gewaltherrschers Josef Stalin, der hierorts immer noch verehrt wird, sowie von "Uplisziche", der Festungs- und Höhlenstadt. Bereits in der Bronzezeit siedelten sich hier Menschen an, und im 6. Jahrhundert vor Christus entwickelte sich "Uplisziche" zu einem Handelszentrum, in dem rund 5000 Menschen in Wohnhäusern lebten, die aus dem weichen Fels geschlagen wurden. Georgien fasziniert eben vielfältig.

Hannes Wallner, Kronen Zeitung

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