Still und romantisch

Karpathos – Thymian von der Insel der Titanen

Reisen & Urlaub
27.06.2017 12:57

Karpathos, zwischen den bekannteren Schwestern Rhodos und Kreta gelegen, ist ein stilles Stück Griechenland. Doch zu verstecken braucht sich die wildromantische Schönheit mit den schroffen Felsen wahrlich nicht.

Plötzlich war er da. Stand still und blähte nur hin und wieder seine Nüstern. Um Witterung aufzunehmen vom Einzigen, was ihn wirklich interessierte: FUTTER! Dann trabte er vorsichtig zu herumliegenden Taschen und Badebeuteln und schnupperte vorsichtig. Aber stets zurückhaltend, ohne ins aggressive Betteln zu verfallen. Zwei Semmeln, die ihm Badegäste in der romantischen Bucht zuwarfen, nahm er zögerlich und trollte sich dann wieder.

Wir reden hier von einem der wenigen frei lebenden Esel auf der kleinen Insel Saria. Wer davon noch nie gehört hat, braucht sich nicht zu wundern. Saria ist nämlich seit 30 Jahren unbewohnt. Bis auf ein paar Esel und einige Schafe, die hier auf "Sommerfrische" geschickt werden, wie bei uns auf die Alm, lebt hier niemand mehr. Nur Wanderer kommen auf einen Tagesausflug von Karpathos her. Und genießen den Duft der Kräuter, allen voran des wilden Thymians, der der beste in ganz Griechenland sein soll. Saria war einst Teil der größeren Insel. Doch bei einem der großen Seebeben in grauer Vorzeit entstand ein 100 Meter breiter Spalt.

Ein stiller Teil Griechenlands
Karpathos, zwischen den beiden bekannten Schwestern Kreta und Rhodos gelegen, ist ein stiller Teil Griechenlands, von Wien aber problemlos per Direktflug mit der AUA in etwas mehr als zwei Stunden erreichbar. Wer die "fashionable" Skybar mit dem ultracoolen New-Wave-Sound sucht, ist hier fehl am Platz. Ein griechischer Kaffee in der Hafenkneipe - "metrio, parakalo" - tut es auch. Und ja, es gibt eine Einkaufsstraße in der "Hauptstadt" Pigadia. Aber hier wird niemandem etwas aufgedrängt.

Der Star der Insel ist die Natur
Im Süden zeigt sie sich flach, im Norden dagegen schroff, steil, felsig und von wilder Schönheit. Eine atemberaubende Bergstraße, jedem Alpenpass ebenbürtig, führt dorthin. Und manchmal gibt es nicht einmal ein Geländer zwischen Fahrbahn und dem Abgrund.

Olymbos
Wer die einstündige Kurvenorgie überstanden hat, landet dann in einem zauberhaften Teil der Insel. Das kleine Örtchen Olymbos mit seinen Einwohnern, das an einen Felsen zu kleben scheint, ist einen ausgiebigen Spaziergang wert. Durch verwinkelte Gässchen bis zu einer Windmühle, wo der Sonnenuntergang am schönsten ist. Wer Glück hat, findet vor einer der beiden Kirchen des Ortes den 83-jährigen Pfarrer, Papa Giovanni. Der drückt gerade jedem, der vorbeikommt, ein Honigbällchen in die Hand.

Ein Paar Hausecken weiter drängt eine Bäuerin auf der Rückkehr von ihrem Garten jedem Entgegenkommenden eine ihrer gerade gepflückten Kirschen auf. Um zu zeigen, wie herrlich IHRE Kirschen aus IHREM Garten sind. Das alles ist natürlich nur möglich, weil sich die Zahl der Touristen derzeit noch in Grenzen hält. Der Fremdenverkehr begann hier erst vor 30 Jahren, und interessanterweise waren die Österreicher unter den ersten Gästen.

Wie alles auf der Insel sind auch die Lokale urwüchsig
Internationale Küche braucht hier keiner. Die hat auch gegen die wunderbaren Makarounes, eine örtliche Teigspezialität, keine Chance. Oder jene köstlichen gefüllten Zucchiniblüten oder das Mus aus Fawa-Bohnen, den Kichererbsen nicht unähnlich. Im Radio wird noch immer typische griechische Musik gespielt. Die Hits von Mikis Theodorakis sind noch lange nicht vergessen.

Der griechischen Mythologie nach war Karpathos, und hier speziell der Nordteil der Insel, Sitz der Titanen. Später kamen die Minoer, die Dorer des klassische Griechenlands und im 8. Jahrhundert nach Christus arabische Piraten, die auf Saria sogar eine Siedlung zurückgelassen haben, die heute noch zu besichtigen ist.

Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierten viele in die USA oder nach Australien. Der Kontakt mit der Heimat blieb aber erhalten. Manche haben ihre Häuser immer noch auf der Insel und kommen gerne, zum Beispiel am 15. August, nach Olymbos, wenn ein großes traditionelles Fest gefeiert wird.

Hier tragen viele Frauen noch die bunte Tracht des Ortes. Auf den Kleidern für besondere Festtage sind um den Hals Münzen angenäht. Die dienen der Bezahlung der Hochzeit der Tochter. Denn in Olymbos herrscht das Matriarchat, hier haben die Frauen das Sagen. Weil sie alles regeln mussten, während die Männer oft monatelang für die Arbeit weg waren.

Doch die Idylle ist bedroht
Ein Hafen für Kreuzfahrtschiffe soll gebaut werden, verrät der Bezirkshauptmann der Insel, schränkt aber gleich ein: nur für kleinere. Ioannis Minatsis könnte bald von seinem Wiener Kollegen, Bürgermeister Michael Häupl, Besuch bekommen. Der gelernte Biologe hat nämlich zu Studienzeiten eine längere Zeit auf der Insel verbracht. Und zwar für seine Dissertationsarbeit: "Schädelkinetik bei Gekkoniden". Deshalb soll Häupl jetzt Ehrenbürger werden.

Peter Grotter, Kronen Zeitung

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