Zauberhafte Insel

Luftige Kilts und andere Liebessachen

Reisen & Urlaub
04.06.2017 08:40

Röcke, die als männlich gelten, ein Amboss, der Herzen zusammenschmiedet, eine Kathedrale, in der Prosecco serviert wird, und malerische Landstriche, die Harry-Potter-Fantasien beflügeln - die Fahrt von Edinburgh nach Liverpool offenbart Zauberhaftes und Kurioses.

Sosehr ich Paris und Venedig, London oder New York schätze, sie konnten mich nie länger von ihr fernhalten" Diese Liebeserklärung des Dramatikers W. Gordon Smith galt seiner Heimatstadt Edinburgh. Sie genießt den Ruf, eine der schönsten Metropolen Europas zu sein. Zu Recht. Die Hauptstadt Schottlands ist ein Museum an sich und ein Bummel in der Old Town wie ein Spaziergang durch die Geschichte. Der Reiz steckt in den engen Gassen, stillen Winkeln, historischen Fassaden und gotischen Türmen.

Poesie liegt in der Luft
Sir Walter Scott hat hier sein Denkmal - mit 61 Meter Höhe weltweit das größte Monument für einen Dichter, umringt von 64 Charakteren aus seinen Büchern. Ein Café in der Altstadt zieht Harry-Potter-Fans magisch an. Im Elephant House war Joanne K. Rowling Stammgast und schrieb ihre ersten Romane über den Zauberlehrling. Unweit davon wurde einem Hund für dessen Treue vor der Greyfriars Bobby’s Bar ein Denkmal gesetzt. Nachdem Polizist John Gray anno 1858 verstorben war, soll Skye Terrier "Bobby" noch 14 Jahre über das Grab seines Herrls auf dem Kirchenhof der Greyfriars Kirk gewacht haben. Seinen Platz verließ der Hund nur, um sich im Coffee House um die Ecke füttern zu lassen.

Die One O'Clock Gun
Über allem thront auf 340 Millionen Jahre alter Vulkanerde Edinburgh Castle. Die mächtigen Mauern beherbergen die Kronjuwelen von Schottland. Wie jeher, als Seefahrern mit Kanonendonner die Zeit signalisiert wurde, kracht immer noch sechsmal die Woche die One O’Clock Gun. Stets pünktlich um ein Uhr nachmittags - und nicht um 12. "Denn das wäre ein Dutzend Schüsse und zu teuer", macht sich der Burgguide über den sprichwörtlichen Geiz seiner Landsleute lustig.

Heimatkunde unter der Gürtellinie
Als umso großzügiger gelten Schotten, was Gastfreundschaft betrifft. Nach außen hin rau wie die Highlands - aber ist das Eis gebrochen, kann man mit ihnen Shetlandponys stehlen. "Nur nicht als Engländer bezeichnen! Das mögen Schotten gar nicht", wird gewarnt. Die Liebe zur Tradition spiegelt sich auch in der Tracht wider. Mehr als 1200 Karo-Muster für den kultigen Kilt soll es geben, jedes ist die Visitenkarte eines Clans wie das der Gordons oder MacGregors. Heimatkunde unter der Gürtellinie: Ein "echter" Schotte verzichtet beim Rock auf Unterwäsche, so sagt man. Und dass so mancher verwegene Kiltträger in Bierlaune das pikante Geheimnis schon gelüftet habe.

Intime Blicke hinter die Kulissen des monarchischen Daseins erlaubt der Besuch von Holyrood Palace. Der Sitz der britischen Königin liegt an der Royal Mile, die hinauf zur Burg führt. Oft mehrmals im Jahr residiert Elizabeth II dort. Die Säle, wo sie diniert und Staatsgäste empfängt, sowie die alten Königsgemächer sind zu besichtigen - freilich nur dann, wenn die Queen nicht da ist.

Gretna Green - Zufluchtsort für Verliebte
Romantische Gefühle weckt Gretna Green, beschauliches Grenzdorf in Südschottland auf der einstigen Postkutschenroute von London nach Edinburgh. Weltberühmt ist die alte Schmiede, Inbegriff für eine Liebesheirat. Laut Überlieferung galt ab 1754 in England ein Gesetz, das Minderjährigen eine Hochzeit nur mit Zustimmung der Eltern erlaubte. Nicht so in Schottland. Gretna Green wurde zum Zufluchtsort für Brautpaare. So wie der Schmied zwei heiße Metallstücke zusammenfügt, wurde mit dem Hammerschlag auf den Amboss das junge Glück besiegelt. "Oft nahm der Hausherr die Trauung für einen guten Schluck Whisky vor", wird erzählt.

Ab 1856 mussten sich Brautpaare dem schottischen Gesetz zufolge vor dem Jawort zumindest 21 Tage im Land aufgehalten haben. Aber auch das ist seit 1977 Geschichte, nicht aber die spezielle Atmosphäre von Gretna Green. "1614 Trauungen gab es im vergangenen Jahr", wissen Anne und Andrew, die Heiratswillige aus aller Welt willkommen heißen. Er ist Schotte, sie Engländerin. Allen Jungvermählten sind die beiden ein Vorbild. Bei der Dudelsackparade im deutschen Nürnberg hatten sie sich kennengelernt, 30 Jahre später sind Anne und Andrew noch immer glücklich vereint - und das über alle Grenzen und historischen Gräben ihrer Heimatländer hinweg.

Idylle um Windermere
Dem lieblichen Farbenspiel der Natur frönen wir auf der Fahrt durch den Lake District. Idylle lässt sich rund um den See Windermere genießen. Dem Himmel nah sind Bierliebhaber im Kirkstone Pass Inn, dem dritthöchstgelegenen Pub Englands auf über 450 Metern. Oft als Filmkulisse dient Fountains Abbey. "Einst ein Zisterzienserkloster, heute imposante Ruine und Weltkulturerbe samt traumhaftem Park", erklärt Reisebegleiterin Melitta Petr. Die Südburgenländerin hat ihr Herz an Großbritannien verloren: "Die Insel hat so viel Schönes zu bieten. Man muss sich nur an ein paar Eigenheiten gewöhnen."

Nächster Stopp - York
Römer, Wikinger und Normannen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Besonderen Charme versprüht der Shambles Market im Herzen der geschichtsträchtigen Stadt. Die Gässchen säumen Fachwerkhäuser, deren Holzbalken sich der Last der Jahrhunderte langsam beugen.

Auf nach Liverpool
Der Name klingt wie Musik in den Ohren nostalgischer Pop-Fans. In der Heimat der Beatles verblasst der Glanz der 1960er-Jahre nicht. Die Fab Four, die fabelhaften vier, sind allgegenwärtig. Im Albert Dock, wo im Museum alles über Paul, John & Co. zu erfahren ist. Am Pier Head, wo sich Touristen anstellen, um sich mit der Beatles-Statue fotografieren zu lassen. Oder im Cavern Club in der Mathew Street - im Original-Lokal war die Band 292-mal aufgetreten, bevor sie die "Beatlemania" auslöste.

Nicht durch Größe allein verblüfft die Liverpool-Kathedrale. In einem Seitenschiff hat ein Lokal geöffnet, Prosecco, Hauswein und allerlei Gerichte werden serviert. "Die anglikanische Glaubensgemeinschaft muss Geld verdienen, es gibt keine Kirchensteuer", verrät Melitta. Und wer sich in der quirligen Hafenstadt durch die Club-Szene treiben lässt, wird das Gefühl nicht los: "We all live in a yellow Submarine".

Karl Grammer, Kronen Zeitung

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