Mit 93 Jahren

Kammerschauspielerin Hilde Sochor gestorben

Adabei
02.06.2017 17:48

Die Kammerschauspielerin Hilde Sochor ist tot. Wie das Wiener Volkstheater am Freitag mitteilte, verstarb die Doyenne des gleichnamigen Hauses am Mittwoch (31. Mai) im Alter von 93 Jahren in Wien. Sochor spielte in ihrer 65 Jahre dauernden Karriere mehr als 300 Rollen.

"Ihr" Volkstheater richtete ihr zum 90er ein großes Fest aus: 2014 wurde Sochor, Doyenne des Hauses, auf der Bühne von Weggefährten und Familie als Legende gefeiert. Am Mittwoch ist die stilprägende Volksschauspielerin verstorben. Ihre Kollegen, schreibt Intendantin Anna Badora am Freitag, "trauern um eine Ikone".

"Volkstheater verliert ein der größten Persönlichkeiten"
"Mit Hilde Sochor verliert das Volkstheater eine der größten Persönlichkeiten", sagte Volkstheater-Intendantin Badora in einer Aussendung. "Wie keine andere hat sie es verstanden, mit Herzenswärme, Witz und Klugheit in die Seelen ihrer Figuren einzutauchen. In der wechselvollen Geschichte des Volkstheaters nach dem Krieg hat wohl niemand den Ausdruck Volksschauspielerin so sehr verdient und so sehr zu einer Auszeichnung gemacht wie Hilde Sochor."

In "Weiberhaushalt" aufgewachsen
Am 5. Februar 1924 in Wien-Breitensee geboren, wuchs Sochor bei der geschiedenen Mutter, zwei Schwestern und der Großmutter auf, in einem "Weiberhaushalt", wie sie selbst in einem Interview meinte. Zunächst studierte sie Germanistik und Theaterwissenschaft, und nahm gleichzeitig Schauspielunterricht bei Leopold Rudolf und Wolfgang Heinz. Finanziert hat sie ihre Ausbildung als Kasperltheater-Spielerin an diversen Schulen. 1948 promovierte sie, und legte auch die Schauspielprüfung ab. Im selben Jahr debütierte sie an den Kammerspielen (in Alexander Lernet-Holenias "Parforce"), und erhielt auch ihre erste Rolle am Volkstheater in Anzengrubers "Der Pfarrer von Kirchfeld".

1956 heiratete sie den Regisseur, Bühnenbildner und Theaterleiter Gustav Manker (gestorben 1988), unter dessen Leitung sie viele wichtige Rollen des Repertoires spielte und ein legendäres Nestroy-Ensemble am Volkstheater, dem sie bis 1996 als aktives Mitglied angehörte, wesentlich mitprägte. In rund 30 Nestroy-Produktionen stand Sochor auf dieser Bühne, wesentliche Rollen verkörperte sie zudem in Stücken von Anzengruber, Brecht, Hauptmann, Ibsen, Schönherr, Wedekind, Williams oder Raimund.

Wegen Kindern auf internationale Tourneen verzichtet
Leicht hatte es die dreifache Mutter in diesen Jahren nicht, und den Kindern zuliebe verzichtete sie auf internationale Tourneen. 1956 wurde Katharina geboren, 1958 folgte Paulus, und 1967 Magdalena. Als "Familienmensch" wollte sie bei ihrem Mann, "bei meiner großen Liebe", und ihren Kindern sein, begründete Sochor im Interview mit "Der Standard" 2014 ihre Entscheidung. "Das glückliche Leben, das ich hatte, ist in erster Linie auf mein Privat- und nicht auf das Berufsleben zurückzuführen", sagte Sochor.

1980 verkörperte sie neben Karl Merkatz die Frau Bockerer in der Wiederentdeckung des Stücks "Der Bockerer" am Volkstheater und später auch in Berlin. In Joshua Sobols "Weiningers Nacht" stand Sochor 1988 zusammen mit ihrem Sohn Paulus Manker, der auch Regie führte, auf der Bühne des Volkstheaters. Es sollte die einzige gemeinsame Arbeit bleiben. Zu den Glanzlichtern ihrer letzten aktiven Jahre gehören ihre Maria in Turrinis "Josef und Maria", ihre Großmutter in Horvaths "Geschichten aus dem Wienerwald", "Späte Gegend" von Lida Winiewicz oder das Werner-Schwab-Programm "Seele brennt!". 2007 absolvierte sie mit ihrem Soloprogramm "Ich bin ein Kind der Stadt" die Tournee des Volkstheaters in den Bezirken.

Sochor hat auch selbst Regie geführt, etwa in Nestroys "Haus der Temperamente" 1990. Neben dem Theater hat sie seit ihren Anfängen immer wieder für das Fernsehen gearbeitet. Als eine der ersten, gehörte Sochor auch der legendären Stegreif-"Familie Leitner" an. Daneben wirkte sie in einer ganzen Reihe von Hörspielen mit, ihre TV-Serien - von "Hallo Hotel Sacher" über "Familie Merian" bis "Kaisermühlen-Blues" - haben sie auch österreichweit populär gemacht. Zehn Jahre lang plauderte sie in der Sendung "Im Konzertcafe" als Großmutter über Wien.

Zahlreiche Auszeichnungen erhalten
Für den Nachwuchs sorgte sie selbst bis 1993 als Leiterin der von ihr begründeten Schauspielschule des Volkstheaters. Auszeichnungen hat die große Schauspielerin viele erhalten, neben dem Lebenswerk-Nestroy 2007 u. a. den Nestroy-Ring der Stadt Wien, den Karl-Skraup-Preis (heute: Dorothea-Neff-Preis) oder das Goldene Verdienstkreuz des Landes Wien. Der Titel "Kammerschauspielerin" wurde ihr natürlich ebenso verliehen wie der des "Professors". 2004 gestaltete Paulus Manker die liebevolle Dokumentation "Das Leben brennt heut' wieder sehr" über seine Mutter und 2012 erschien ihre Autobiografie "Kinder, Küche, Bühne. Ein Leben in Bildern und Anekdoten" im Amalthea Verlag.

Der ORF hat in memoriam Hilde Sochor sein Programm geändert: Am Freitag um 22.45 Uhr zeigt ORF 2 die Dokumentation "Das Leben brennt heut' wieder sehr!", ein Porträt, das von ihrem Sohn Paulus Manker 2004 anlässlich ihres 80. Geburtstags gestaltet wurde. Am Sonntag strahlt ORF III dann um 13.15 Uhr ein Dacapo von Hermi Löbls Gesprächsreihe "Mütter: Hilde Sochor und ihre Kinder" aus dem Jahr 1989 aus.

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(Bild: kmm)



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