Bürgeraktivistin:

“Einschüchtern lasse ich mich sicherlich nicht!”

Tirol
25.03.2017 15:56

Ihre roten Haare fallen auf. Parteipolitisch hat Sie aber weder mit Rot, Grün, Gelb, Schwarz, Pink oder Blau etwas am Hut - im Gegenteil. Die Rede ist von Anita Stangl. Sie ist das Sprachrohr des Dachverbandes der Bürgerinitiativen in Innsbruck. Oder anders ausgedrückt: Sie ist die Hoffnung für rund 10.000 Menschen, die glauben, dass die Politik über sie "drüberfährt", dass es nur so rauscht. Im "Krone"-Interview erzählt die pensionierte Unternehmerin ohne jede Polemik oder Aggression, warum sie sich das antut, was ihr Kraft gibt, warum für sie als einstige Grünwählerin die Grünen nun das "größte Übel" sind und wie prägend Erlebnisse mit Menschen sind, die sich nicht mehr zu helfen wissen.

Frau Stangl, was war der Auslöser, sich als Bürgeraktivistin zu engagieren?

Anita Stangl: Es waren die Pläne für eine bauliche Überverdichtung im Olympischen Dorf in Innsbruck, in dem ich auch wohne. Geplant war, den Olympiapark, eine enge Grünfläche, mit Wohnungen zu verbauen. Wir haben damals sämtliche Gemeinderäte gefragt, wo solche Entscheidungen fallen. Am grünen Tisch oder ob sich vielleicht jemand die Mühe machen könnte, vor Ort zu sehen, ob das geht?

Das war also die Initialzündung für Ihr Engagement?

Ja, das war meine Initialzündung im Herbst 2015. Mich hat damals wahnsinnig zornig gemacht, dass man die Menschen, die Anrainer dieses Olympiaparkes, zu wenig informiert hat. Vor allem betont ja Planungsstadtrat Gerhard Fritz von den Grünen stets, man müsse menschlich und vor allem sozial verträglich bauen. Aber wer bestimmt denn, was sozial verträglich ist? Vor allem: Wenn man etwas ernst nimmt, muss man sich vor Ort begeben, mit den Menschen reden und schauen, ob so eine Überverdichtung sozial verträglich ist.

Ist das für Sie das "Drüberfahren" der Politiker?

Ja. Ich war wirklich total fassungslos, dass ich die Pläne aus der Zeitung erfahren musste.

Wie ging es dann weiter?

Die Politik hat dann alles verdreht und behauptet, dass es durch den Bau sogar zu einer Imageaufwertung und mehr Infrastruktur kommt sowie auch zu mehr Grünfläche. Das war das zynischste überhaupt. Eine bestehende Grünfläche verbauen und dann die Begrünung eines Tiefgaragendaches als zusätzliche Grünfläche zu verkaufen. Das sind Dinge, die bringen mich auf die Palme.

War es Ihr Ziel, nach 42 Arbeitsjahren, frisch in der Pension, sich in dieser Hinsicht zu engagieren? Das wird ja nicht nur lustig sein?

Nein, im Gegenteil. Es erfordert manchmal sehr viel Kraft. Aber ich gehöre zu einer komischen Sorte von Menschen: Je mehr man mich unter Druck setzen oder behindern will, um so mehr Energie bringe ich dann auf. Mich kann man nicht einschüchtern, das lasse ich nicht zu.

Wie haben Sie dann den Widerstand organisiert?

Ich bin von Wohnung zu Wohnung gegangen. Ich habe das nicht online gemacht, wie andere. Und ich sage Ihnen: Wenn man dann die Leute sieht, die da betroffen sind, das war auch eine Art Schlüsselerlebnis für mich. Das sind keine Leute, die politisch rechts stehen. Da gibt es ganz viele Menschen, die sich alleine gelassen fühlen, die nicht wissen, wie sie sich wehren können. Sehr viele ältere Menschen, die sagen, dass die Politik mit ihnen eh machen kann, was sie will.Betroffene sind dankbar, dass jemand zuhört.

Für diese Menschen sind Politiker wohl "Die da oben", zu denen sie keinen Zugang haben, geschweige denn einen Termin, etc. bekommen?

Ja. Völlig abgehoben ist da die Politik. Da denke ich mir, das kann es doch nicht sein. Das macht mich einfach zornig. Und diese bitteren Erlebnisse treiben mich dann auch an, etwas für diese Menschen zu tun. Wenn man dann sieht, wie dankbar die Betroffenen sind, dass ihnen jemand zuhört, für sie ein bisschen da ist, dann sehe ich mich bestätigt. Ich bin dankbar, dass ich gesund bin und so der Gesellschaft etwas zurückgeben kann.

Aber Ihr Engagement ist ja nicht immer erfolgreich?

Ob man etwas erreicht oder nicht, ist für mich nicht so ausschlaggebend. Viele Menschen sind einfach froh, wenn sie das Gefühl haben, dass jemand zuhört.

Wo drückt aus Ihrer Sicht noch der Schuh in Innsbruck?

Auch der Lärm ist ein großes Problem und der Verkehr. Das klingt jetzt plakativ, aber man muss ja nur durch die Stadt gehen, dann sieht und fühlt man das ja.

Sie haben jüngst behauptet, dass man versucht, Sie ins Querulanteneck zu stellen?

Ich bin keine Querulantin. Mir fehlt ganz einfach, so wie vielen Innsbruckern, das Konzept in dieser Stadt. Da bin ich beim Punkt Raumordnung, wo die Stadt seit fünf Jahren im Rückstand ist. Das Raumordnungskonzept ist 2012 ausgelaufen. Bis heute gibt es kein neues. Das wäre aber das Planungsinstrument, das festlegt, wie es mit der Stadt weitergeht, was gebaut wird, wie die Infrastruktur aussehen soll, was mit dem Verkehr, was mit Grünflächen passiert. All das fehlt. Wir haben das Gefühl, es werden einfach planlos irgendwelche Löcher gestopft. Da ein paar Wohnungen und auch dort ein paar usw.

Was sagen Sie zu den Grünen in der Stadtregierung?

Ich war nie eine Grünaktivistin. Aber ich habe bei Wahlen immer das für mich kleinste Übel gewählt und das waren die Grünen. Das kleinste Übel ist mittlerweile zum großen Übel geworden. Das können Sie ruhig so schreiben. In Innsbruck ist das jedenfalls so. Heute bereue ich sehr, früher Grün gewählt zu haben.

Stichwort Patscherkofel und Investitionen von fast 70 Millionen Euro: Sind Sie da auch von der Politik in Innsbruck enttäuscht?

Ja. Ich frage mich, wie es sein kann, dass bei 40 Mandataren die große Mehrheit so hemmungslos über so viel Geld abstimmt, ohne irgendwelche Bedenken zu haben. Deshalb hat es mich sehr geärgert, dass Herr Kritzinger vom Seniorenbund, der dagegen stimmte, angegriffen wurde und hingestellt wird als jemand, der keine Visionen mehr hat. Ich frage mich, was ein Gemeinderat zu verlieren hat, wenn er einmal auf sein Gewissen hört und bei allem Klubzwang dagegen stimmt. Für die meisten ist das ja nicht der Haupt-, sondern ein Nebenberuf. Und ich frage auch, wo denn die Partei Für Innsbruck ihr Herz für die Senioren hat, wenn sie mit langjährigen Mietern etwa in der Eichhofsiedlung so umspringt. Dort leben viele Ältere. Die können teilweise nicht mehr schlafen, weil sie die Politik im hohen Alter "umpflanzen" will, obwohl sie das nicht wollen.

Wollen Sie politisch aktiv werden? Etwa bei der Gemeinderatswahl in Innsbruck 2018?

Nein! Sicher nicht! Der Dachverband der Bürgerinitiativen muss überparteilich bleiben, weil ja gerade die Politik so ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Das ist kein Thema für mich.

Claus Meinert/Krone Tirol

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