Auch ohne Beitritt

4,5 EU-Milliarden an Türkei quasi nicht zu stoppen

Ausland
28.04.2017 12:58

Mit dem Verfassungsreferendum des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei einen neuen Tiefstand erreicht. Viele EU-Politiker - unter anderem Außenminister Sebastian Kurz - fordern einen Abbruch der seit 2005 laufenden Gespräche und somit auch die Streichung der sogenannten Heranführungshilfen - immerhin 4,45 Milliarden Euro. Doch das ist gar nicht so einfach bzw. teilweise gar nicht möglich.

Abgesehen von den an Flüchtlingshilfen gezahlten drei Milliarden Euro an die Türkei hat die EU den Türken von 2014 bis 2020 4,45 Milliarden Euro zugesagt. Zwar fließe das Geld nur, "wenn wir sicher sind, dass das Geld der Steuerzahler sinnvoll angelegt ist", wie der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte - doch zu einem Großteil sind die Auszahlungen nicht an Projekte gebunden, die in der Türkei die für eine EU-Mitgliedschaft erforderlichen Reformen anstoßen sollen, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet.

Bisher wurden laut EU-Kommission 167,3 Millionen Euro der 4,45 Milliarden an die Türkei überwiesen. Das klingt jetzt im Vergleich zu der Gesamtsumme nach nicht viel, doch weitere Mittel in Milliardenhöhe hat die EU bereits fix zugesagt - ohne zu wissen, ob sich die Türkei noch weiter vom Beitrittsweg entfernt. Und nur rund ein Drittel der 4,45 Milliarden Euro ist tatsächlich für Projekte reserviert, die in der Türkei die für eine EU-Mitgliedschaft erforderlichen Reformen anstoßen sollen.

1,58 Milliarden Euro der "Heranführungshilfen" laufen unter der Überschrift "Reformen zur Vorbereitung der Unionsmitgliedschaft". Ziele sind dabei unter anderem die Korruptionsbekämpfung und die stärkere demokratische Einbindung der Bevölkerung in politische Entscheidungen (540 Millionen Euro bis 2017) sowie der Schutz der Grundrechte und die Förderung einer unabhängigen Justiz (389 Millionen Euro bis 2017). Für die letzten drei Jahre der Finanzperiode befinden sich in beiden Töpfen weitere 416 Millionen bzw. 236 Millionen Euro.

Geflossen ist in diese Bereiche bisher aber kaum etwas, wie die "FAZ" schreibt - und wird es wohl auch nicht, wenn Erdogan seinen mit dem Referendum eingeleiteten Kurs weiterverfolgt. Doch auch wenn die EU die Beitrittsgespräche abbricht, dürften die restlichen zwei Drittel der "Heranführungshilfen" weiter fließen, wenn die EU-Staaten sie nicht explizit sperren.

Denn sie beziehen sich eher auf die generelle Entwicklung der Türkei: 1,53 Milliarden Euro gibt es für die sozioökonomische und regionale Entwicklung - etwa im Energie- oder Verkehrsbereich unter besonderer Berücksichtigung des Kampfes gegen den Klimawandel -, für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung stellt die EU 912 Millionen Euro bereit und für Beschäftigung, Sozialpolitik, Bildung und Geschlechtergleichstellung 435 Millionen Euro.

1,65 der 4,45 Milliarden Euro - fast 40 Prozent - sind demnach bereits für konkrete Projekte zugesagt. Dass erst ein Zehntel davon auch ausbezahlt worden ist, hat laut "FAZ" wenig zu bedeuten. Es gehöre zu den Besonderheiten des EU-Haushalts, dass Geld für mehrjährige Projekte und auch einfach nur schlicht geplante Projekte zugesagt, dann aber erst nach und nach ausgezahlt wird. Stoppen könne man die Auszahlung aber in der Regel nicht mehr.

"EU soll Zahlungen an Türkei so schnell wie möglich einstellen"
Die Milliardenzahlungen der EU an die Türkei kritisiert unter anderem die freiheitliche Europaparlamentarierin Barbara Kappel.

Die NEOS haben am Donnerstag eine Entschließung zum Thema "Heranführungshilfen" im Nationalrat eingebracht. Sie wollen die Zahlungen der EU an die Türkei so schnell wie möglich eingestellt wissen. "Die Türkei entwickelt sich seit einigen Jahren immer weiter weg von einem demokratischen Rechtsstaat und hin zu einem autokratischen Regime, was vermuten lässt, dass die Türkei kein Interesse mehr daran hat, Teil der EU zu werden", so die Partei.

Deutsche als "Nazis" und Niederländer als "Faschisten" beschimpft
Erdogan hatte vor dem Referendum in der Türkei wegen des Verbots von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland und den Niederlanden den deutschen Behörden "Nazi-Praktiken" vorgeworfen und die Niederländer als "Faschisten" beschimpft.

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