Videos zeigen Grauen

Ägypten: IS-Anschlagsserie auf christliche Kirchen

Ausland
09.04.2017 21:00

Blutiger Palmsonntag in Ägypten mit zwei Selbstmordattentaten, die sich gegen die christliche Minderheit richteten: Zunächst wurden bei einer Bombenexplosion in einer koptischen Kirche in der Stadt Tanta mindestens 27 Menschen getötet und Dutzende verletzt. Wenig später kam es außerhalb eines christlichen Gebetshauses in der Hafenstadt Alexandria zu einem weiteren Anschlag, der mindestens 16 Menschenleben forderte. Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamierte die Anschläge für sich. Präsident Abdel Fattah al-Sisi kündigte am Abend einen dreimonatigen Ausnahmezustand an.

Die koptischen Christen in Ägypten sind seit Längerem im Visier islamistischer Gruppen. "Der Terrorismus trifft Ägypten erneut, dieses Mal am Palmsonntag", so der Sprecher des Außenministeriums, Ahmed Abu Seid, auf Twitter. Er sprach von einer "weiteren widerwärtigen Tat gegen alle Ägypter" - und den blutigsten Anschlägen auf die Minderheit der koptischen Christen in Ägypten seit Langem.

Präsidentruft dreimonatigen Ausnahmezustand aus
Präsident Al-Sisi berief umgehend den nationalen Sicherheitsrat ein, der noch am Sonntag die "Konsequenzen" aus den Angriffen besprach. Am Abend verkündete er einen dreimonatigen Ausnahmezustand in Ägypten. Zuvor hatte er bereits bekannt gegeben, zum Schutz wichtiger Infrastruktureinrichtungen den sofortigen landesweiten Einsatz von Armeeeinheiten angeordnet zu haben, die die Polizei unterstützen sollten.

Der Ausnahmezustand trete in Kraft, sobald die notwendigen verfassungsrechtlichen Schritte vollzogen seien, sagte Al-Sisi in einer Fernsehansprache. Darüber hinaus werde ein Reihe von Maßnahmen ergriffen.

Video: IS-Anschlag in Tanta: Zeugen schildern das Grauen

"Kommandos des IS führten die Angriffe aus"
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat reklamierte die beiden Anschläge für sich. "Kommandos des Islamischen Staats haben die Angriffe auf die beiden Kirchen in Tanta und Alexandria ausgeführt", erklärte die Agentur AMAQ, das Propaganda-Sprachrohr des IS. Bereits im Februar hatte der IS in einem Video zu Gewalt gegen Ägyptens Kopten aufgerufen, Hunderte Angehörige der Minderheit flohen daraufhin von der Sinai-Halbinsel.

Ebenfalls am Sonntag wurde eine Mitteilung im Namen der Terrormiliz über IS-nahe Kanäle verbreitet, in der es hieß, die "Kreuzzügler" und "Ungläubigen" würden "mit dem Blut ihrer Söhne bezahlen". Die Echtheit konnte noch nicht unabhängig überprüft werden.

Selbstmordattentäter sprengt sich bei Messe in die Luft
Die staatliche Nachrichtenseite Al-Ahram zitierte Augenzeugen, wonach sich in der koptischen Kirche St. Georg in Tanta ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hat. Im Internet kursierende und im Fernsehen ausgestrahlte Videos (siehe auch oben) zeigten einen blutverschmierten Boden. Die koptische Gemeinde in Tanta hatte Palmsonntag gefeiert und sich damit auf das Osterfest in einer Woche vorbereitet.

Alexandria: Attentäter am Einlass in Kirche gehindert
Durch die Explosion außerhalb des koptischen Gotteshauses St. Markus in Alexandria wurden dem staatlichen Fernsehen zufolge mindestens 16 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Al-Ahram berichtete, die Explosion sei ebenfalls durch einen Selbstmordattentäter verursacht worden, der zuvor am Einlass in die Kirche gehindert worden sei. Dadurch dürften noch mehr Opfer verhindert worden sein.

Selbstmordanschlag im Dezember in Kirche in Kairo
Im vergangenen Dezember hatte sich ein Selbstmordattentäter während einer Sonntagsmesse in der koptischen Kirche St. Peter und Paul in der Hauptstadt Kairo in die Luft gesprengt. Etwa 30 Menschen wurden damals getötet. Die Kopten sind die größte christliche Glaubensgemeinschaft im Nahen Osten und machen etwa zehn Prozent der 90 Millionen Einwohner Ägyptens aus. Die Minderheit sieht sich immer wieder gewaltsamen Angriffen ausgesetzt.

Hunderte ägyptische Christen geflohen
Im Februar flohen Hunderte ägyptische Christen aus dem Norden der unruhigen Sinai-Halbinsel. Vorangegangen war eine Mordserie an Mitgliedern der religiösen Minderheit, hinter der der IS vermutet wurde. Mit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 hatten die Angriffe gegen Christen in Ägypten zeitweise zugenommen. Unter Mursis Nachfolger, dem autoritären Al-Sisi, beruhigte sich die Lage wieder etwas.

Papst drückt sein Mitgefühl aus
Für 28. und 29. April ist ein Besuch von Papst Franziskus in Kairo angekündigt. Dabei will er auch seine Solidarität mit den Kopten zum Ausdruck bringen. Beim Angelusgebet am Palmsonntag verurteilte Franziskus unter anderem die jüngsten Anschläge in Ägypten. Er bete für die Opfer und deren Angehörige sowie für all jene, die wegen Kriegen leiden, sagte Franziskus. Kriege seien eine Plage der Menschheit, so der Heilige Vater vor Tausenden auf dem Petersplatz in Rom versammelten Gläubigen. Der Papst bekundete seine Nähe zum ägyptischen Volk. Gott bekehre die Herzen der Menschen, die "Terror, Gewalt und Tod" verbreiten, sagte der Papst. Er bete auch für die Bekehrung all jener, die mit Waffen handeln.

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