Land in Trümmern

Assad hat gewonnen – aber Syrien ist zerstört

Ausland
14.09.2017 14:52

Nach sechseinhalb Jahren Bürgerkrieg in Syrien zeichnet sich immer deutlicher ein Ergebnis ab: Präsident Bashar al-Assad hat den Konflikt für sich entschieden. Stück für Stück kämpfte sich seine Armee vor, sie kontrolliert mittlerweile wieder den Großteil des Landes. Doch von einem "Sieg" Assads zu sprechen, fällt schwer - zu furchtbar war der Preis, den das Land für den Machterhalt des Despoten zu zahlen hatte. Syrien ist weitgehend zerstört, die Wirtschaft liegt am Boden, die Hälfte der Bevölkerung ist auf der Flucht - und Frieden oder Wiederaufbau liegen in weiter Ferne.

Mit Unterstützung Russlands und des Iran haben Assads Truppen seit Herbst 2015 weite Gebiete von den Aufständischen und der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat zurückerobert. Laut Fabrice Balanche, Syrien-Experte am Washington Institute for Near East Policy, kontrolliert die Regierung in Damaskus wieder den Großteil des syrischen Territoriums - Städte und Gebiete mit rund zwei Dritteln der etwa 16 Millionen Einwohner. Der Rest liegt - noch - in den Händen der Kurden, der IS-Miliz und der Rebellen.

"Assad hat jene besiegt, die ihn zu stürzen versuchten"
"Der Krieg geht weiter, doch in strategischer Hinsicht hat Assad jene besiegt, die ihn zu stürzen versuchten", resümiert Aron Lund vom Schwedischen Institut für Internationale Politik. Der Machthaber kontrolliere die großen Bevölkerungszentren, zu erwarten sei, dass die Regierung "Stück für Stück" auch den Rest des Landes zurückerobern werde.

Diese Realität erkennen auch die Vereinten Nationen an. Deren Syrien-Gesandter Staffan de Mistura rief die syrische Opposition kürzlich auf, zu akzeptieren, dass sie "den Krieg verloren" habe. Das sogenannte Hohe Verhandlungskomitee der Opposition nannte die Äußerungen "schockierend" und bekräftigte die Forderung nach dem sofortigen Rücktritt Assads. Dies erscheint mittlerweile jedoch völlig unrealistisch - der Machthaber ist dank der Hilfe aus Moskau und Teheran so stark wie seit Jahren nicht mehr.

"Er gewinnt die Kontrolle über ein völlig zerstörtes Land"
Assad hat seine Macht verteidigt - und herrscht nun über ein Land in Trümmern. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 50 Prozent, die Armutsquote bei 85 Prozent, und die Hälfte der Bevölkerung ist aus ihren Häusern vertrieben. "Assad gewinnt die Kontrolle über ein völlig zerstörtes Land", sagt Maha Yahya vom Politikinstitut Carnegie in der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Ich weiß nicht, ob man in dieser Situation von Sieg sprechen kann."

Syrien-Experte Jihad Yazigi vom Onlineportal The Syria Report, das regelmäßig über die Wirtschaftslage des Bürgerkriegslands berichtet, rechnet zwar mit einer gewissen wirtschaftlichen Erholung, wenn die Stromversorgung wiederhergestellt ist und die Öl- und Gasförderung wieder in Schwung kommen, einen wirklichen Wiederaufbau erwartet er sich aber nicht. Es würde rund 170 Milliarden Euro kosten, die zerstörte Infrastruktur, die Fabriken und die Wohnhäuser aufzubauen, sagt Yazigi.

Wiederaufbau in weiter Ferne, Gesellschaft tief gespalten
Doch die Regierung in Damaskus habe dafür kein Geld, und auch den zwölf syrischen Banken fehle das Kapital. Zudem würden syrische Exilanten nur wenig Geld zurückschicken, weshalb Assad auf ausländische Mittel angewiesen sei. Mögliche Kapitalgeber wie die EU, die Weltbank oder die Golfstaaten würden laut Yazigi aber wohl kaum Milliarden überweisen. Schließlich hätten sie jahrelang auf Assads Sturz gesetzt und würden ihm schwere Kriegsverbrechen vorwerfen. Ein Wiederaufbau des Landes bleibt damit so fern wie eine Versöhnung der tief gespaltenen Gesellschaft.

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