Erste Massenproteste

Erdogan im Machtrausch – und Trump gratuliert ihm

Ausland
18.04.2017 06:19

Nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum ist es in der Türkei am Montagabend zu ersten Massenprotesten gekommen. In Istanbul gingen Tausende Menschen auf die Straßen, um gegen das Ergebnis sowie die damit einhergehende Machtausweitung von Präsident Recep Tayyip Erdogan zu demonstieren. Trotz internationaler Kritik auch vonseiten der OSZE-Wahlbeobachter gab es einen prominenten Gratulanten: US-Präsident Donald Trump übermittelte Erdogan am Montag telefonisch seine Glückwünsche.

Der "Sultan" im Machtrausch: Schon am Montagabend waren in Ankara jeweils unter Erdogans Vorsitz zunächst der Nationale Sicherheitsrat und dann das Kabinett zusammengekommen und hatten eine Verlängerung des seit dem Putschversuch im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustands beschlossen. Der Nationale Sicherheitsrat teilte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit, die Maßnahme diene "dem Schutz unserer Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie der Rechte und Freiheiten unserer Bürger".

Formell muss nun noch das Parlament der Verlängerung zustimmen, das an diesem Dienstag erstmals seit dem Referendum zusammenkommt. Eine Zustimmung gilt als sicher, da Erdogans islamisch-konservative Partei AKP über eine absolute Mehrheit verfügt. Ohne Verlängerung wäre der Ausnahmezustand in der Nacht auf Mittwoch ausgelaufen.

"Erdogan-Regierung abhängig vom Ausnahmezustand"
Kritik kam aus der Opposition. Der Abgeordnete Baris Yarkadas von der größten Oppositionspartei CHP warf der Regierung vor: "Sie können dieses Land nicht ohne Ausnahmezustand regieren. Sie sind eine Regierung geworden, die abhängig ist vom Ausnahmezustand." Unter dem Ausnahmezustand kann Erdogan weitgehend per Dekret regieren.

Video: Anti-Erdogan-Demonstranten verhaftet

Vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments gilt der Ausnahmezustand mindestens bis zum 19. Juli. Dann wird er rund ein Jahr in Kraft gewesen sein. Erdogan hatte den Ausnahmezustand nach dem Putschversuch im Juli des Vorjahres ausgerufen. Er wurde seitdem zweimal verlängert. Der Ausnahmezustand kann theoretisch beliebig oft verlängert werden, allerdings jeweils nur für maximal vier Monate.

"Kritik der OSZE-Beobachter politisch motiviert"
Die Opposition hatte Einschränkungen ihres Wahlkampfs vor dem Referendum wegen des Ausnahmezustands beklagt, der unter anderem die Versammlungsfreiheit einschränkt. Auch die internationalen Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates hatten kritisiert, unter dem Ausnahmezustand seien Grundfreiheiten eingeschränkt gewesen, "die für einen demokratischen Prozess wesentlich sind". Erdogan hatte Kritik der Wahlbeobachter am Referendum zurückgewiesen und sie als "politisch motiviert" bezeichnet.

Seit der Verhängung des Ausnahmezustands wurden in der Türkei mehr als 47.000 Menschen wegen des Verdachts auf Verbindungen zu den Putschisten festgenommen. Zehntausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wurden suspendiert oder entlassen, unter ihnen Lehrer, Richter und Polizisten. Auch zahlreiche Journalisten und Akademiker wurden festgenommen.

Trump gratuliert Erdogan zum Ergebnis
Trotz seiner diktatorisch anmutenden Politik darf sich Erdogan über die Glückwünsche des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump freuen. Trump habe dem türkischen Präsidenten am Montag telefonisch Glückwünsche überbracht, bestätigte das Weiße Haus am Montagabend.

Trumps Sprecher Sean Spicer hatte sich am Nachmittag noch zurückhaltend zum Ausgang des Referendums geäußert. "Es gibt eine internationale Kommission, die das untersucht und in zehn bis zwölf Tagen ihren Bericht veröffentlichen wird. Wir werden warten und sie ihren Job machen lassen", sagte er mit Blick auf die OSZE-Kritik.

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