550 Missbrauchsopfer

Leben bei Regensburger Domspatzen “wie in Hölle”

Ausland
18.07.2017 13:18

Als "Hölle" und "Konzentrationslager" beschreiben ehemalige Mitglieder der Regensburger Domspatzen ihre Zeit in den Reihen des weltberühmten katholischen Knabenchors. Sie gehören zu den fast 550 Menschen, die als Kinder Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden sind. Dies geht aus einem Abschlussbericht eines Anwalts hervor, der mit der Aufarbeitung des 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsskandals beauftragt worden war.

Anwalt Ulrich Weber arbeitete in den vergangenen zwei Jahren als unabhängiger Gutachter den Skandal auf. Dass die unabhängige Aufarbeitung nicht schon früher erfolgte, lastete der Rechtsanwalt auch dem ehemaligen Regensburger Bischof und jetzigen Kardinal Gerhard Ludwig Müller an. Müller sei für die Schwächen der Aufarbeitung, etwa einen fehlenden Dialog mit den Opfern, verantwortlich, sagte Weber am Dienstag bei der Vorlage des Abschlussberichts in Regensburg.

Dunkelziffer soll viel höher sein
Weber zählt in seinem Bericht 547 Opfer auf. Allerdings geht er sogar von einer viel höheren Dunkelziffer aus, von bis zu 700 Kindern ist die Rede. Wie Weber weiter sagte, beschrieben die Opfer die Zeiten bei den Regensburger Domspatzen im Nachhinein als "Gefängnis, Hölle und Konzentrationslager" oder als schlimmste Zeit ihres Lebens. Besonders in der Vorschule des Chors seien die Übergriffe umfassend gewesen.

Papst-Bruder war jahrelang Chorleiter
Dem langjährigen Chorleiter und Bruder von Papst Benedikt XVI., Georg Ratzinger, warf Weber ein "Wegschauen" vor der körperlichen Gewalt vor. Es hätten sich aber keine Erkenntnisse ergeben, dass Ratzinger auch von sexueller Gewalt gewusst habe. Ratzinger sei von den für die Untersuchung befragten ehemaligen Domspatzen sehr unterschiedlich, positiv wie negativ, beschrieben worden. Der von 1964 bis 1994 an der Spitze des Chors stehende Ratzinger sei "sehr ehrgeizig" gewesen hinsichtlich der Leistung des Chors und habe darüber wohl den Blick für die Gesamtverantwortung für die Kinder verloren.

Die 49 identifizierten Beschuldigten müssen mit keinen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, denn inzwischen sind alle Taten verjährt. Weber sprach von einer "Kultur des Schweigens", es sollten die Regensburger Domspatzen als Institution vor einer Rufschädigung geschützt werden. So habe auch eine frühe kritische Medienberichterstattung nicht zu Konsequenzen geführt.

Vertreter des Bistums bitten um Entschuldigung
Verantwortliche des Bistums teilten mit: "Wir haben alle Fehler gemacht und haben viel gelernt". Das Bistum könne nur um Entschuldigung bitten. Rechtsanwalt Weber bestätigte den Domspatzen, dass die organisatorischen Schwächen dort behoben worden seien. Inzwischen gebe es eine "zeitgemäße Pädagogik" sowie eine "hohe Sensibilisierung".

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