Rede in Versailles

Macron: Große Staatskunst oder “Binsenweisheiten”?

Ausland
03.07.2017 19:15

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in einer staatstragenden Grundsatzrede vor dem französischen Kongress einen "tiefgreifenden Wandel" versprochen. In der Politik müsse ein "radikal neuer Weg" eingeschlagen werden, sagte Macron am Montag vor den im Schloss von Versailles versammelten Abgeordneten und Senatoren. Macron-Kritiker insbesondere aus dem linken Lager betrachteten die Rede als Show und blieben ihr fern, ein prominenter Abgeordneter sprach von "Binsenweisheiten" und "tödlicher Langeweile".

Konkrete neue Ankündigungen machte der sozialliberale Staatschef in seiner Rede nicht - es ging ihm um die "großen Orientierungen" seiner Präsidentschaft. Macron wiederholte unter anderem seine Absicht, die Zahl der Parlamentarier um ein Drittel zu senken. Nach Kritik am Mehrheitswahlrecht in Frankreich versprach er, dass ein Teil der Abgeordneten künftig nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden soll, ohne aber genauere Angaben zu machen.

Ein Sondergericht für die Amtsvergehen von Ministern will der Präsident abschaffen, sie sollen künftig vor reguläre Gerichte gestellt werden. Die notwendige Verfassungsreform für die institutionellen Veränderungen soll binnen eines Jahres beschlossen sein.

Ausnahmezustand soll im Herbst auslaufen
Der 39-jährige Staatschef bekräftigte zudem, dass der seit mehr als eineinhalb Jahren geltende Ausnahmezustand im Herbst auslaufen soll. Die Regierung hat eine letzte Verlängerung des Ausnahmezustands bis zum 1. November bereits auf den Weg gebracht und will parallel dazu im Anti-Terror-Kampf eine Gesetzesverschärfung beschließen.

Macron warb auch erneut für eine Stärkung der EU: Die Union sei durch eine Zunahme von Bürokratie und Skepsis geschwächt. "Wir haben Krisen verwaltet, aber wir haben unsere Orientierung verloren." Er wolle das "Verlangen nach Europa" wiederbeleben.

Vorbild USA: Künftig jährlich Rede zur aktuellen Lage
Macron trat knapp zwei Monate nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl vor die beiden Parlamentskammern. Eine solche Rede ist in Frankreich höchst selten: Bisher machten nur Macrons unmittelbare Vorgänger Nicolas Sarkozy und Francois Hollande von dieser Möglichkeit je einmal gebraucht. Macron kündigte am Montag an, er wolle künftig jedes Jahr eine vergleichbare Ansprache halten. Es gehe darum, den Sinn seiner Politik zu erklären. Vorbild sind die Reden der US-Präsidenten zur Lage der Nation vor dem US-Kongress.

An Macrons Auftritt in Versailles war im Vorfeld Kritik laut geworden, insbesondere weil am Dienstag Premierminister Edouard Philippe vor der Nationalversammlung seine Regierungserklärung abgibt. Die Opposition warf dem Präsidenten vor, alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu wollen und seinen Premier zu schwächen. Linkspartei und Kommunisten blieben der Rede aus Protest fern.

Der Linkspolitiker und Abgeordnete Jean-Luc Melenchon kritisierte die Ansprache des Präsidenten am Montag als "nicht endenden Regen von Binsenweisheiten". "Tödliche Langeweile", schrieb der unterlegene Präsidentschaftskandidat auf Facebook.

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