Frau in D erstochen

“Nur” Totschlag: Empörung um Asylwerber-Urteil

Ausland
13.06.2017 15:13

Dieses Ehrenmord-Urteil lässt in Deutschland die Wogen hochgehen: Ein muslimischer Asylwerber, der seine Frau brutal umgebracht hat, weil sie fremdgegangen sein soll, wurde in der Vorwoche "nur" wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft verurteilt. Von einem Skandal-Urteil ist die Rede. Der Täter habe "Strafrabatt", "kulturellen Rabatt" bzw. "Religions-Rabatt" bekommen, sind viele Menschen, unter ihnen auch teils hochrangige Politiker wie der bayrische Justizminister, überzeugt. Eine Juristin und Ehrenmord-Expertin kritisiert, das Gericht habe "einfach übernommen, was Koran-Recht sei", spricht zugleich aber von einem "schwierigen Fall".

Mord oder Totschlag? Diese Frage hatte das Landgericht Cottbus im Bundesland Brandenburg im Fall des Asylwerbers Rashid D. zu klären. Der 32-jährige Tschetschene hatte im November des Vorjahres seine 27 Jahre alte Frau - die beiden waren erst im Mai 2016 mit fünf Kindern nach Deutschland gekommen - umgebracht. Die schrecklichen Details der Bluttat: 19-mal stach der Mann auf seine Gattin ein, warf sie dann aus dem Fenster, um ihr schließlich noch die Kehle durchzuschneiden. Alles aus Eifersucht, weil er überzeugt davon war, dass seine Angetraute in der neuen Heimat fremdging.

Der zuständige Richter Frank Schollbach verurteilte Rashid D. nun aber nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft. Das Urteil des Richters sorgt jetzt in Deutschland für eine Welle der Empörung. "Religions-Rabatt für den Moslem, der glaubte, seine Frau sei fremdgegangen - und deshalb habe er das Recht, sie zu töten?", empörte sich etwa die "Bild"-Zeitung.

Entsetzt über die mildere Strafe für den Tschetschenen ist auch Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU), der in einer Reaktion betonte: "Religiöse und kulturelle Prägungen des Täters, die in fundamentalem Widerspruch zu unserer Rechtsordnung stehen, dürfen kein Anlass für eine Strafmilderung sein!" Bausback sprach von einer "lückenhaften Gesetzeslage".

Juristin: "Einfach übernommen, was Koran-Recht sei"
"Fassungslos" zeigte sich auch die deutsche Juristin Brigitta Biehl. Die Rechtsanwältin ist zweite Vorsitzende des Vereins Peri, der Menschen betreut, die von Zwangsheirat und Ehrenmord bedroht sind. Sie sagte gegenüber der "Welt": "Offenbar hat das Gericht unhinterfragt die Behauptung des Täters übernommen, der sagte, wenn eine Frau fremdgehe, dann habe der Mann das Recht, sie zu töten, denn das sei in Tschetschenien geltendes Recht und stehe so im Koran."

Die Frage, die in diesem Zusammenhang also im Raum steht: Gibt es im Jahr 2017 "Strafrabatt" für zugewanderte Menschen aus einer Gesellschaft wie in diesem Fall der tschetschenischen, in der es Selbstjustiz wie Blutrache und Ehrenmorde gibt? Strafrechtler Wolfgang Mitsch von der Universität Potsdam stellte dazu gegenüber der "Bild" klar: "Auch wenn das Unbehagen auslösen mag: Der angestammte Kulturkreis einer Person spielt bei der Begehung einer Tat auf dem Gebiet des deutschen Strafrechts durchaus eine Rolle."

Gerichtssprecher: "Keine Strafmilderung wegen Herkunft"
Frank Merker, Sprecher des Landgerichts Cottbus, verteidigte indessen die Entscheidung und betonte: "Es gab hier keine Strafmilderung wegen der ethnischen und religiösen Herkunft. Der Richter muss fragen, ob der Angeklagte in der Lage war, den Unwert seines Motivs zu erkennen." Damit jemand wegen Mordes verurteilt werden kann, muss das Gericht sogenannte Mordmerkmale erfüllt sehen, zum Beispiel niedere Beweggründe.

Anwältin Biehl verweist in diesem Zusammenhang auf eine Grundsatzentscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs zum Thema Blutrache. "Da wurde ganz klar gesagt, die Frage nach dem 'niedrigen Beweggrund' ist anhand der hiesigen Wertvorstellungen zu beantworten", so Biehl. Einschränkung dabei: "Der Täter muss zumindest in der Lage gewesen zu sein, die hiesige Wertvorstellung zu kennen."

Gericht zweifelte an, dass Täter Bluttat richtig einordnen konnte
In dem aktuellen Fall wurde angezweifelt, dass der Angeklagte verstehen konnte, dass seine Bluttat aus Eifersucht in Deutschland als moralisch besonders niedrigstehend beurteilt wird. Als Gründe für die Zweifel des Landgerichts nannte ein Sprecher gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus":

  • den niedrige Bildungsgrad des Angeklagten (er hat nie eine Schule besucht),
  • seinen religiösen Hintergrund (er ist Muslim),
  • seine Herkunft aus einer extrem traditionellen Gesellschaft,
  • die Tatsache, dass das Paar erst wenige Monate in Deutschland war und außer Behördenwegen keine deutschen Sozialkontakte hatte.

"Genau das macht diesen Fall so schwierig: Der Täter war erst seit sechs Monaten in Deutschland, hatte ein niedriges Bildungsniveau, keine sozialen Kontakte", gibt auch Biehl zu bedenken. Umso wichtiger wäre es deshalb gewesen, seinen kulturellen Hintergrund zu untersuchen, ergänzt die Juristin.

Alles eine Frage der Zeit?
Ihr Fazit: Ein Gericht werde sich sicherlich immer schwer damit tun, einen Täter, der beispielsweise frisch aus Pakistan gekommen ist, aus einer Region, in der Ehrenmorde toleriert werden, wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu verurteilen. "Wenn er die Sprache nicht kann, niemanden kennt und tatsächlich noch keine Möglichkeit hatte, sich mit den hiesigen Rechtsvorstellungen zu beschäftigen", sieht Biehl vor allem die Zeitfrage als mitentscheidenden Faktor in der brisanten Thematik.

Deshalb, so die Anwältin weiter, müsse das Gericht immer den Einzelfall prüfen. "Es ist unser Auftrag als Gesellschaft, Migranten klarzumachen, welche Rechtsvorstellung wir haben. Sie einfach in eine Unterkunft setzen und einen Deutschkurs vorschreiben reicht eben nicht."

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele