Umstrittene Praxis

Polens “Greencard” lockt Migranten-Massen in EU

Ausland
21.08.2017 05:53

Polen sorgt für neuen Unmut bei den EU-Partnern. Da seit seinem Beitritt zur Union rund zwei Millionen Menschen das Land verlassen haben, braucht es, um seine Wirtschaftsleistung halten zu können, bis zum Jahr 2050 Millionen von Zuwanderern. Und dieses Problem will die Regierung mit einem umstrittenen Dokument lösen - der Karta Polaka. Mit dieser können Migranten aus dem Osten sofort in Polen arbeiten und studieren sowie nach nur einem Jahr eine Daueraufenthaltserlaubnis bekommen. Damit wiederum haben sie gute Chancen auf die polnische Staatsbürgerschaft - und mit dieser können sie später in jedem EU-Mitgliedsland leben und arbeiten.

Wie die deutsche Tageszeitung "Die Welt" berichtet, habe jeder Aussichten auf die Karte, der aus einem Nachfolgerstaat der Sowjetunion stammt, ein wenig Polnisch spricht und möglichst polnische Vorfahren hat. Kann jemand keine polnischen Wurzeln nachweisen, sollte er sich zumindest "um die Kultur des Landes verdient gemacht" haben und sich das von einem polnischen Kulturverein bestätigen lassen. Damit kann sich quasi jeder nachträglich qualifizieren. Schließlich überprüft ein polnischer Konsul die Dokumente, testet die Sprachkenntnisse und stellt ein paar Fragen zur polnischen Kultur.

200.000 Karteninhaber, bis zu eine Million Antragsberechtigte
Die Möglichkeit, die Karta Polaka zu erhalten, nutzen laut "Welt" vor allem Ukrainer und Weißrussen. Seit der Einführung des Dokuments im Scheckkartenformat im Jahr 2008 habe das polnische Außenministerium mehr als 200.000 Karten ausgegeben, die meisten an Personen aus Weißrussland (rund 95.000) und aus der Ukraine (rund 87.000). Wie viele Personen aufgrund ihrer polnischen Wurzeln überhaupt antragsberechtigt sind, weiß demnach niemand genau. Das Außenministerium in Warschau gehe von bis zu einer Million aus, schreibt die Zeitung.

Regierung schuf mit Reform des Gesetzes zusätzliche Anreize
Und weil von den 200.000 Karteninhabern bisher nur etwa 5000 eine Daueraufenthaltsgenehmigung beantragt haben, hat die Regierung das Gesetz zur Karta Polaka jetzt grundlegend reformiert. So lockt der Staat neue Interessenten seit Jahresbeginn zusätzlich mit monatlichen Unterhaltszahlungen, Unterstützung bei der Wohnungssuche und kostenlosen Bildungskursen - Voraussetzung dafür sei, dass sich die Betroffenen in Polen niederlassen. Die Regierung in Warschau gehe laut "Welt" davon aus, dass die neuen Anreize zusätzlich Zehntausende ins Land ziehen werden.

Karta Polaka als schnelle Eintrittskarte in die gesamte EU
Für Hunderttausende könnte das Dokument zur schnellen Eintrittskarte in die gesamte EU werden, indem sie weiter in den Westen ziehen. Laut "Welt" scheint dies die polnische Regierung allerdings nicht zu stören: Das Gesetz gebe "keine Berechtigung, die Motivation eines Bewerbers zu untersuchen", heißt es demnach im Außenministerium in Warschau. Auch sei der Erhalt in keinem Fall davon abhängig, wozu ein Bewerber die Karte später nutzen möchte. Im Gesetzestext heißt es lediglich, die polnische Regierung habe gegenüber den Auslandspolen eine moralische Verpflichtung, zumal Millionen Polen nach dem Zweiten Weltkrieg plötzlich auf sowjetischem Gebiet leben mussten, nachdem die Alliierten die Grenzen der Sowjetunion auf Wunsch Stalins nach Westen verschoben hatten.

Wirtschaftliches Kalkül: "Enormer" Arbeitskräftebedarf in Polen
Vor allem dürfte nach Angaben der "Welt" aber wirtschaftliches Kalkül hinter der Karta Polaka stecken. Denn viele - vor allem junge - Polen zieht es seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2004 wegen der höheren Löhne und der besseren Arbeitsbedingungen in Richtung Westen. Dabei brummt die polnische Wirtschaft - weshalb vor allem die ausgewanderten Facharbeiter eine große Lücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Um die aktuelle Wirtschaftsleistung halten zu können, brauche man daher bis zu fünf Millionen Zuwanderer bis 2050, warnte zuletzt ein großer polnischer Arbeitgeberverband, der sich dabei auf Prognosen des nationalen Statistikamtes berief. Der Bedarf an Arbeitskräften sei demnach "enorm groß".

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