Darwin fliegt raus

Türkei nimmt Dschihad in den Lehrplan auf

Ausland
29.08.2017 10:24

Wie berichtet, soll die Evolutionstheorie von Charles Darwin künftig nur noch in abgespeckter Form an türkischen Schulen unterrichtet werden. Dafür kommt der "Heilige Krieg" als neues Unterrichtsfach. Denn künftig soll der Dschihad in Schulen unterrichtet werden. Während die Regierungspartei AKP diese "Reinigung" des Lehrplans lobt, wittern Oppositionsparteien und die religiöse Minderheiten der Alewiten Gefahr.

"Den Dschihad als eine Art Gottesdienst in Schulen zu unterrichten, steht im Einklang mit den Doktrinen der Terrormiliz Islamischer Staat und ist sehr gefährlich", warnt Erdogan Döner, der Präsident des Alewiten-Dachverbandes Cem Vakfi. Die Alewiten stellen die größte religiöse Minderheit, sie machen geschätzte 20 Prozent der 80 Millionen Einwohner aus und stehen den Schiiten näher als den Sunniten, die weltweit und auch in der Türkei die Mehrheit der Muslime stellen.

Regierung verteidigt Schulfach: Es geht um "inneren Kampf"
Solche Bedenken weist die Regierung in Ankara mit Verweis auf die eigentliche Bedeutung des Wortes "Dschihad" zurück. Radikale Islamisten hätten den Begriff für ihr Konzept des sogenannten Heiligen Krieges ausgeschlachtet. Der Unterricht werde sich aber auf den "inneren geistlichen Kampf in einem patriotischen Kontext" konzentrieren, heißt es. Erdogan und Bildungsminister Ismet Yilmaz selbst werben in der Öffentlichkeit für das persönliche Streben, böse Neigungen zu bekämpfen. Dadurch soll jeder Gläubige ein besserer Muslim und Mensch werden. Tatsächlich wird  von Extremisten oft als Kampf für die Ausbreitung oder Verteidigung des Islams verwendet.

Trotz aller Beschwichtigungsversuche - die Skepsis unter führenden Alewiten bleibt. Groß ist die Angst, dass Lehrer schlecht vorbereitet sein könnten, um die komplexe Idee des Dschihad zu erklären. Auch die Vorstellung, ihre Kinder bekämen Lektionen im sunnitischen Islam, besorgt Vertreter der Glaubensrichtung. Schon jetzt gebe es Unterrichtsstunden, in denen falsche Details über ihre Religion gelehrt würden. Diese trügen zum verzerrten Bild bei, das bereits jetzt in der türkischen Gesellschaft herrsche.

Tief gespaltene Gesellschaft
Das Vorhaben platzt in eine ohnehin schon tief gespaltene türkische Gesellschaft und in eine Zeit politischer Unruhe hinein. Präsident Recep Tayyip Erdogan ist ohnehin bemüht, seine Macht zu festigen und stützt sich dabei immer stärker auf überzeugte Nationalisten und Islamisten.

Dass mit dem neuen Unterrichtsfach die Idee des Säkularismus aus dem Fokus geraten wird, alarmiert auch die größte Oppositionspartei. "Mit dem Wegbewegen vom Säkularismus besteht das Risiko der wachsenden Polarisierung in der Gesellschaft", sagt Lale Karabiyik von der Mitte-links-Partei CHP.

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