Trotzt EU-Urteil

Ungarn: "Werden weiter keine Migranten aufnehmen"

Ausland
06.09.2017 15:02

Seit 2015 haben sich die Slowakei und vor allem Ungarn gegen die vereinbarte Verteilung von Flüchtlingen in Europa gesträubt. Nun erteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entsprechenden Klagen aus Budapest und Bratislava eine klare Abfuhr. Während die Slowakei das Urteil bereits akzeptierte, will es Ungarn bekämpfen. "Es ist ein politisches Urteil, das das europäische Recht und die europäischen Werte vergewaltigt. Ungarn wird auch weiterhin keine Flüchtlinge aufnehmen", kündigte Außenminister Peter Szijjarto an.

Laut Szijjarto gefährde das Urteil die Sicherheit und die Zukunft ganz Europas. "Die Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts ist abstoßend und unverantwortlich", kritisierte er. Man werde juristisch alles unternehmen, um sicherzustellen, dass die ungarische Regierung das letzte Wort dabei habe, wer in das Land komme. Die "wahre Schlacht" gegen das EU-Quotensystem würde erst jetzt beginnen.

Slowakei bleibt dabei: "Die Quote funktioniert nicht"
Aus der Slowakei hieß es hingegen zähneknirschend, dass man das EuGH-Urteil akzeptiere. Man wolle zum Kern der Europäischen Union gehören und solidarisch sein, sagte Regierungschef Robert Fico. Trotzdem kritisierte er die ursprüngliche Entscheidung der EU zur Flüchtlingsumverteilung, gegen die die Slowakei und Ungarn geklagt hatten, als "ungerecht". Auch der slowakische Wirtschaftsminister Peter Ziga sagte in Bratislava: "Die Quote funktioniert nicht, weshalb die Gerichtsentscheidung jetzt recht irrelevant ist." Die EU müsse einen anderen Weg finden, um das Problem zu lösen.

1294 Flüchtlinge für Ungarn vorgesehen, 902 für Slowakei
Die EU-Staaten hatten sich angesichts des großen Flüchtlingszustroms im Herbst 2015 gegen den Widerstand von Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Rumänien darauf verständigt, 120.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umzuverteilen. Die Entscheidung sorgte seitdem immer wieder für Zwist innerhalb der Union. Ungarn müsste nach derzeitigem Stand 1294 Flüchtlinge aufnehmen, die Slowakei 902 - beide Länder sind davon aber noch weit entfernt.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in einem Brief kurz vor der EuGH-Entscheidung an die Regeln der Solidarität zwischen EU-Mitgliedern erinnert. Orban, der die Aufnahme von Flüchtlingen vehement ablehnt, hatte die EU zuvor aufgefordert, die Hälfte der Kosten in Höhe von 440 Millionen Euro für einen Grenzzaun zu übernehmen.

Juncker zu Orban: "Solidarität ist eine Zweibahnstraße"
Juncker erklärte laut einem Bericht der "Süddeutsche Zeitung" in dem Brief: "Solidarität ist eine Zweibahnstraße. Es gibt Zeiten, in denen Mitgliedsstaaten erwarten können, Solidarität zu erfahren. Und es gibt Zeiten, in denen sie im Gegenzug bereit sein sollten, einen Beitrag zu leisten. Solidarität ist kein Gericht auf einer Speisekarte, das man bei Grenzkontrollen auswählt, aber ablehnt, wenn es um die Verteilung von Flüchtlingen geht."

Auch Polen will seine Flüchtlingspolitik nicht ändern
Doch nicht nur Ungarn, sondern auch Polen weigert sich bislang aus "Sicherheitsgründen", Flüchtlinge aufzunehmen - und will das auch nach dem EuGH-Urteil nicht tun. "Ich habe diese Entscheidung erwartet", sagte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Mittwoch. "Allerdings ändert das absolut nicht den Standpunkt der polnischen Regierung, was die Migrationspolitik betrifft." Seinerzeit der Quotenregelung zugestimmt habe die Vorgängerregierung, deren Standpunkt man nicht teile.

Hohe Geldstrafen möglich
Sollten sich Ungarn, die Slowakei, Polen und andere EU-Staaten weiterhin gegen den Beschluss und die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, könnte die EU-Kommission auf solider rechtlicher Basis Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, die letztlich in hohe Geldstrafen münden können. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hatte solche Verfahren angekündigt, wenn die Staaten bis Ende September nicht ihre Quoten bei der Umverteilung erfüllen. Gegen Ungarn, Polen und Tschechien hatte die Brüsseler Behörde bereits im Juni erste derartige Schritte eingeleitet.

Nach EuGH-Urteil: FPÖ befürchtet "fatale Folgen"
Unter den österreichischen Parteien stößt das nunmehrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs nur bei der FPÖ auf scharfe Kritik. Generalsekretär Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament, befürchtet "fatale Folgen" für die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. "Die Entscheidung offenbart das ganze Dilemma der EU-Asyl- und Migrationspolitik", sagte er am Mittwoch.

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