"Krone"-Interview

Wie lange hält sich Trump noch als US-Präsident?

Ausland
03.06.2017 09:29

Dr. Dan Hamilton ist Austrian Marshall Plan Foundation Professor für transatlantische Beziehungen an einem in Washington befindlichen Institut der Johns-Hopkins-Universität. Mit dem Politikexperten sprach "Krone"-Redakteur Kurt Seinitz über US-Präsident Donald Trump, die Aussichten auf eine Amtsenthebung und das Verhältnis von den USA mit Europa.

"Krone": Wir erleben mit Trump unglaubliche Dinge. Wie lange noch?
Dan Hamilton: Ich glaube, er schafft vier Jahre, denn ein Impeachment-Verfahren (Amtsenthebung) ist nicht so einfach, und es fehlen dazu die Beweise.

Der "rauchende Revolver" also ...
Behinderung der Justiz etwa. Wir werden sehen, was der entlassene FBI-Chef James Comey vor dem Kongress aussagt.

Die Russland-Affäre des Schwiegersohns könnte Trump doch gefährlich werden. Es geht um die Verletzung des Gesetzes gegen Amtsanmaßung von Privatpersonen gegenüber einem anderen Staat, nämlich als Trump zwar schon gewählt, aber noch nicht im Amt war.
Das kann noch kommen. Die Entscheidungen werden im kommenden Jahr bis zu den Kongresswahlen im November 2018 fallen. Der Druck muss aus den Wahlkreisen der Kandidaten kommen - auch bei der derzeitigen republikanischen Mehrheit. Und Druck wird aufgebaut, wenn auch die oppositionellen Demokraten aktiv werden, aber die stehen noch immer unter Schock.
Die derzeitige Lage wird mit der Watergate-Affäre von Nixon verglichen. Damals waren im Kongress die Untersuchungsausschüsse sehr aktiv und alles wurde in den Medien übertragen - bis die öffentliche Meinung kippte.

Interessant ist, dass der Kongress zwar eine republikanische Mehrheit hat, Trump aber der Durchgriff fehlt.
Weil er kein Republikaner ist, sondern ein Quereinsteiger. Er hat in der Partei kein Netzwerk, um parlamentarische Arbeit machen zu können. Selbst wenn man es im Repräsentantenhaus schafft, heißt das noch lange nicht, dass man es im Senat schafft.
Unser System ist kein parlamentarisches System mit festen Mehrheiten. Trump muss in jeder Frage (in seiner eigenen Partei) eine Koalition bauen, um durchzukommen. Er hat wenig Spielraum, wenn er nicht überzeugen kann - und das tut er nicht. So kommt nichts weiter.

Am Beispiel von Trumps erster Auslandsreise gewinnt man den Eindruck, dass demokratische Solidarität für ihn kein Wert ist: vertraulicher Umgang mit Autokraten wie in Saudi-Arabien, Donnerwetter im demokratischen Europa.
Ich sehe das nicht unter dem Gesichtspunkt von Wertebegriffen. Es ist Trumps Außenpolitik, die eng auf das nationale Interesse bezogen ist. Vergessen wir nicht: Hätte Hillary Clinton ein paar Stimmen mehr gewonnen, würden wir heute in dieser Beziehung ein anderes Gespräch führen. Amerika ist eine weltoffene Gesellschaft.
In internationalen Gremien, wie wir es auf dem G7-Gipfel gesehen haben, wird Trump anwesend sein, aber keine Vereinbarung unterstützen, die sich nicht auszahlt. Das ist die Kosten-Nutzen-Rechnung eines Businessman. Auch bei dem G20-Gipfel Anfang Juli wird es so sein: Die USA sind da, aber machen nicht mit. Er hat ja dazu auch vielfältige Kürzungsprogramme auf internationaler Ebene.

"America first" bedeutet also auch "America alone", alleine, und Trump ist bereit, das durchzuziehen. Können sich die USA das leisten?
Es ist letztlich eine teure Strategie, wenn man alles alleine machen muss. Wir können auch als Supermacht manche Probleme nur mit Partnern lösen. Europa ist dazu ein Partner ersten Ranges. Es gibt kein "America first" ohne Europa.

Was hilft dieses wahnwitzige Rüstungsbudget, wenn man die falsche Politik betreibt?
Wir haben zu Konfliktlösungen allzu oft das Militär geschickt und die Diplomatie außen vor gelassen, aber Trump baut den diplomatischen Faktor weiter ab. Die Militärs haben oft genug gesagt, dass sie alleine Lösungen nicht bringen können.

Totale Verblüffung herrscht über die Diskrepanz zwischen Trumps Ankündigungen im Wahlkampf, auf Twitter und der politischen Realität. Ist er schizophren, lügt er vorsätzlich oder spielt er mit uns? Glaubt er das, was er von sich gibt?
Was er glaubt, weiß kein Mensch, aber er weiß genau, wen er wie ansprechen muss. Er ist im Dauerwahlkampf. Er spricht zu seinen Stammwählern auf eine Weise, die dort sehr gut ankommt. Diejenigen, die ihn gewählt haben, glauben noch immer, dass er einen guten Job macht. Die Stammwähler halten zu ihm.

Er ist also nur Präsident seiner Stammwähler, der Wutbürger. Und das genügt ihm?
Trump ist ein Instinktpolitiker. Berater versuchen, seine Instinkte in eine politische Form zu bringen. Die Unberechenbarkeit wird uns begleiten.

Kann Trump die amerikanische Demokratie nachhaltig schädigen, etwa mit seinem Fake-News-Feldzug gegen die Medien?
Die Institutionen funktionieren. Er kann nicht einfach durch sie durchregieren. Die Richter machen ihren Job. Die Medien funktionieren ziemlich gut.

Welchen Rat geben Sie Europa im Umgang mit Trump?
Erstens: Alle hier reden über Trump, aber wenn man in Washington ist, werden die gleichen Gespräche über den Zustand Europas geführt. Was für ein Schlamassel ist das in Europa! Jede Seite redet über die andere. Wir sind beide unvorhersehbare Partner geworden. Wir wissen beide nicht, ob wir uns aufeinander verlassen können. Ein Beispiel: Die US-Bürger geben für (militärische) Sicherheit pro Tag 5,5 Euro aus, die Europäer 1,1 Euro. Wenn die Europäer nur 0,25 Euro mehr ausgäben, wäre die 2-Prozent-Anforderung erreicht.
Zweitens: Wir sind eng miteinander verbunden, und das wird sich nicht ändern. Wir müssen in größeren Dimensionen denken. Zum Beispiel Klimaschutz: Da ist Kalifornien wichtiger als Washington. Viele energiepolitische Kompetenzen liegen bei den Bundesstaaten.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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