Häupl packt aus:

“Stadträtin mit Kopftuch für mich kein Tabu”

Österreich
04.02.2017 16:55

Bürgermeister Michael Häupl packt im Gespräch mit der "Krone" aus und spricht über den Koalitionspakt, warum er auf Gesichtserkennung besteht, sein Gehalt, Sozialhilfe - und er beantwortet auch die Frage: Leidet die Wiener SPÖ an einem Burn-out?

"Krone": Herr Bürgermeister, bei unserem letzten Interview haben Sie gesagt, dass Sie ihre Nachfolge auch deswegen nicht bekannt geben, weil Ihnen der Amtsdiener sonst keinen Kaffee mehr bringt. Treffen wir uns deswegen in einem Restaurant? Bringt Ihnen wegen der aktuellen Nachfolgedebatte der Amtsdiener im Rathaus nichts mehr?
Michael Häupl: Doch, doch. Er bringt mir nach wie vor Kaffee und Wasser. Ich habe da keinerlei Sorgen.

Was halten Sie denn vom neuen Koalitionspakt?
Eine ganze Menge. Vom Grundsätzlichen her signalisiert das nicht das Übliche: Hier arbeiten zwei Parteien, die gemeinsam in einer Regierung sitzen, gegeneinander. Also das Bild einer zerrütteten Ehe. Sondern da ist ein hohes Ausmaß an Willen herauslesbar. Ja, wir haben verstanden, die Leute wollen, dass die Regierung arbeitet. Dann sind Dinge drinnen, die natürlich die Öffentlichkeit außerordentlich interessieren. Ich sage, das ist der scharfe Blick fürs Unwesentliche. Weil das Burkaverbot beeinflusst die Geschichte Österreichs genau null.

Wenn die FPÖ ein Burkaverbot vorschlägt, ist es böse, mit SPÖ-Kanzler Kern geht es in Ordnung. Warum?
Ich weiß nicht, ob es böse ist. Ich bin zu lange in der Politik, um einfach zu sagen, nur weil die FPÖ etwas vorschlägt, ist es verblödet. Grundsätzlich stimmt das Verbot ja durchaus mit dem überein, was vor nicht allzu langer Zeit Beschlusslage unserer Frauenorganisation war. Nämlich die Gesichtserkennung.

Haben Sie in Ihrem Heimatbezirk Ottakring mittlerweile eine Burka-Trägerin gesehen?
Ja, ich hab schon hin und wieder Burka-Trägerinnen in Ottakring gesehen, aber ich sehe sie vor allem in der Wiener Innenstadt. Insofern verstehe ich die Sorgen der Touristiker.

Könnten Sie sich eine Stadträtin mit Kopftuch in Ihrem Team vorstellen?
Aber selbstverständlich ist das für mich als jemand, dessen Mutter beim Einkaufen im Dorf mit Kopftuch unterwegs war, kein Tabu. Was ist denn das für eine Diskussion? Das Kopftuch ist ja nicht einmal ein religiöses Symbol, es ist ein Symbol für eine gewisse Kultur. Zum Beispiel auch für die christliche Kultur der Kroaten. Ich bin dagegen, dass man die Kreuze in den Schulen abnimmt und dass man bestimmte muslimische Bekleidungsvorschriften hat. Aber ich bestehe auf die Gesichtserkennung.

Zu Ihrer Wiener Partei. Der Zwang, sich zu beweisen, die Verdrängung von Konflikten, Verleugnung der auftretenden Probleme, Misstrauen, Streitlust. All das sind Symptome eines Burn-outs. Ist die Wiener SPÖ ausgebrannt?
Das erstgenannte Symptom ist zwar übertrieben und überzogen, aber nicht komplett falsch. Es geht nicht darum, dass man so eine komplexes Menschenkonglomerat, wie es eine Partei ist, mit einem Individuum vergleicht. Aber dass wir, was die Frage des wechselseitigen Vertrauens und die Frage der Zusammenarbeit zum Nutzen der Gesellschaft betrifft, die ja immer Grundtugenden der Sozialdemokratie gewesen sind, Verbesserungsbedarf haben, ist außer jedem Zweifel. Dafür gibt es auch die neue Perspektivengruppe.

Kommt noch eine Personalrochade, oder war's das?
Das werden wir sehen. Auch das ist so eine Geschichte, sie geht bis zu mir selber. Wenn ich von einem Freund aus Liesing aufgefordert werde, meinen Nachfolger zu benennen, dann geht das aus meiner Sicht von einem fremden Politikverständnis aus. Der Wiener Parteivorsitzende der SPÖ ist nicht der Erbhofbauer, der einem Nachfolger seinen Hof übergibt und sich dann selber ins Ausgedinge von Gnaden des neuen Erbhofbauern begibt. Das ist lächerlich. Ich werde meinen Freunden schon zur richtigen Zeit sagen, wann ich gedenke aufzuhören, und dann wird man im Parteivorstand darüber reden.

Ihr Koalitionspartner hat die Gehälter der Stadt thematisiert. Warum verdienen Sie mehr als der Bürgermeister von New York oder London?
Weil die ganz andere Rahmenbedingungen haben für ihre Gehälter. Wenn man überhaupt gar keine Gelegenheit hat, Geld auszugeben, weil Essen, Schlafen, Transport, Energie und alle Lebenskosten ohnehin bezahlt werden, was bei mir ja nicht der Fall ist, dann kann man natürlich fragen, wieso die überhaupt Geld bekommen. Wenn der Wiener Bürgermeister so viel verdient wie jemand, der in der dritten Reihe einer Bank steht, dann fühle ich mich nicht überbezahlt.

Ein 17-jähriger IS-Sympathisant, der Bomben basteln will, und ein Zwölfjähriger, der zu einem Terrornetzwerk gehört. All das passiert in Ihrer Stadt. Ist das nicht furchtbar?
Ja, es ist furchtbar. Aber wir erwischen die Leute, im Gegensatz zu anderen Städten.

Laut Rechnungshof wird die Mindestsicherung 2020 rund 1,6 Milliarden Euro kosten. Kann sich Wien das überhaupt noch leisten?
Ich schätze den Rechnungshof sehr. Aber ich erlaube mir, mich mit seinen Argumenten inhaltlich auseinanderzusetzen, und habe das auch schon in negativer Hinsicht getan. Der Rechnungshof hat mir einmal empfohlen, ich soll 600 Millionen Euro im Spitalswesen einsparen. Nachdem wir dort ungefähr 1,2 Milliarden Euro ausgeben, wäre das eine Halbierung der Kosten. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe also erhebliches Misstrauen, dass diese Zahl zur Mindestsicherung stimmt. Außerdem bin ich sicher, wenn es uns gelingt, jene Maßnahmen zum Ankurbeln des Wirtschaftswachstums, die auch im Plan A des Kanzlers stehen, umzusetzen, wird die Arbeitslosigkeit wieder sinken.

Apropos Leistung. Die Grünen haben die SPÖ nach dem vorübergehenden Ende des internen Streits ja ermahnt, man möge jetzt endlich wieder für die Stadt arbeiten. Was sagen Sie dazu?
Ich habe das als Selbstmotivation angesehen.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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