Berater, Sanitäter

Wofür Wien viel Geld hat – und wofür nicht

Österreich
20.07.2017 16:50

Die Rettungsorganisationen fahren einen rigorosen Sparkurs, gefeuerte Mitarbeiter inklusive - gleichzeitig aber gibt der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) jedes Jahr Abermillionen für externe Berater und Firmen aus. Wie passt das zusammen?

Das Jahr 2001 war für den Krankenanstaltenverbund ein geradezu günstiges - im Vergleich zu dem, was danach kommen sollte. 3.758.213 Euro wollte der KAV für Rechts-, Prüfungs- und Beraterkosten ausgeben. Es ist dann doch ein bisschen mehr geworden. Im Rechnungsabschluss stehen 4.388.804 Euro. Ausgaben, an die sich der Steuerzahler gewöhnt hat - ob er will oder nicht.

Zeitsprung ins Jahr 2016. Eine Art chronische Ideenlosigkeit muss sich im Krankenanstaltenverbund geradezu pandemisch ausgebreitet haben, denn die Zahlen für externe Berater und Firmen, die sich eine goldene Nase an den Spitälern verdienen, ist explodiert. 23,8 Millionen Euro gab der Krankenanstaltenverbund dafür aus, ursprünglich sollten es sogar 31 Millionen sein. Wofür der Spitälerverbund eine gut bezahlte Chefetage hat? Unklar.

"Das Gesundheitssystem krankt an allen Ecken und Enden"
In mühsamer Anfrage-Arbeit hat die Wiener ÖVP jetzt weitere Details von der politisch zuständigen Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) erfahren. "Das Wiener Gesundheitssystem krankt an allen Ecken und Enden, die Patienten leiden unter enormen Wartezeiten und müssen mit Gangbetten rechnen. Und jetzt werden sogar Sanitäter eingespart. Das Geister-Krankenhaus Nord ist bereits jetzt zum Milliardengrab geworden", fasst ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel die aktuellen Probleme zusammen.

"Und für all das leistet sich die rot-grüne Stadtregierung tatsächlich Berater um 24 Millionen Euro im Jahr!" Sein Fazit: Die Beraterkosten sind in gewaltigem Ausmaß gestiegen, die Leistungen für die Patienten werden zurückgefahren.

Das Büro Frauenberger und der Krankenanstaltenverbund, bekanntlich intensiv beraten, haben für alles eine Erklärung: "Im Jahr 2009 startete die Umsetzung wichtiger Schlüsselprojekte des KAV. Beispielsweise wurde das Geriatriekonzept begonnen und für die Planung zur Errichtung des KH Nord externe fachliche Expertise hinzugezogen."

Auch Rechnungshof sparte nicht mit Kritik
Jetzt könnte man sagen: Dass sich die ÖVP in Wahlkampfzeiten über Beraterkosten aufpudelt, überrascht kaum jemanden. Aber auch der Rechnungshof hat die Kosten des KAV kritisiert. Schließlich musste Generaldirektor Udo Janßen gehen. Nach einem 395.000 Euro teuren Golden Handshake.

Kündigungswelle bei Rettungsorganisationen
Ihren Job los sind derzeit aber auch zahlreiche Wiener Sanitäter. Das Rote Kreuz entlässt, wie berichtet, 35 Mitarbeiter, der Samariter-Bund musste seit 2014 gleich auf 100 Kollegen verzichten. Der Grund ist schnell erklärt: Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) muss sparen.

Dabei ist es kein Vermögen, das Wiens Sanitäter verdienen - vor allem, wo Betrunkene, Drogensüchtige, Randalierer und Co. zu ihrem Alltag gehören. Beispiel Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes: 1450 Euro brutto (14-mal im Jahr) plus Erschwerniszulage von 174 Euro (zwölfmal), dazu Nacht- und Sonntagszuschläge.

Dennoch vergibt die WGKK Krankentransporte lieber an günstige Fahrtendienste statt an teurere Rettungsorganisationen. Sprecherin Regine Bohrn: "Die WGKK zahlt für einen Transport mittels Fahrtendienst 18,78 Euro. Ein Transport etwa mit dem Roten Kreuz wird innerhalb von Wien mit 66,76 Euro honoriert."

Weniger Mitarbeiter, kleinere Allianz
Das Problem, das sich daraus ergibt: Kündigen Organisationen ihre Sanitäter und können Wagen nicht mehr besetzt werden, schrumpft die Allianz, die dafür da ist, die Berufsrettung zu unterstützen. Der Kreis schließt sich: Daraus ergibt sich die aktuelle Misere - wie berichtet, klagen Mitarbeiter über Personalmangel und befürchten eine Unterversorgung.

Davon will Gesundheitsstadträtin Frauenberger nichts wissen. Im Gespräch mit der "Krone" sagt sie: "Die Notversorgung in Wien ist immer gesichert." Es liege auch am "medizinischen Fortschritt", dass Patienten nach OPs eben einen besseren Zustand hätten als noch vor ein paar Jahren. Sie will jetzt bei einem Gipfel alle Rettungsorganisationen und die WGKK an einen Tisch holen. Einer der Pläne: EINE Leitstelle für alle statt der vielen Mini-Zentralen. Peter Hacker, Chef des Fonds Soziales Wien, wird diese Initiative leiten.

Den Vergleich zwischen KAV-Beratern und Sanitäter-Kündigungen lässt Frauenberger nicht gelten: "Das hinkt auf jeder Ebene. Wir investieren ins Rettungswesen und garantieren die Versorgung."

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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