Blindenschrift

Braille-Display aus Wien für die Westentasche

Wissenschaft
20.09.2017 09:51

Die Braille-Blindenschrift hat sich seit vielen Jahrzehnten bewährt, doch im Computerzeitalter angekommen ist sie noch immer nicht. Entsprechende Displays sind teuer, kompliziert und sperrig. Das österreichische Start-up Tetragon, ein Spin-off der TU Wien, hat daher nun ein völlig neues Konzept entwickelt: Das Tetragon-Display besteht aus einem Ring, an dessen Innenseite Buchstaben in Braille-Schrift angezeigt und ertastet werden können.

"Seit Jahrzehnten weiß man, dass die Frage nach dem optimalen Braille-Display nicht zufriedenstellend gelöst ist", sagt Wolfgang Zagler, der nach 45 Jahren an der TU Wien nun seit 2016 als Professor pensioniert ist und sich mit Technologien beschäftigt, die älteren oder körperlich beeinträchtigten Menschen helfen sollen.

"Es gab immer wieder verschiedene Ansätze - mit elektromagnetisch gesteuerten beweglichen Stiften, mit Piezoelementen und anderen Technologien, aber all diese Konzepte hatten ihre Nachteile." Manche Displays haben einen hohen Stromverbrauch oder eine recht begrenzte Haltbarkeit, sie sind allenfalls für den Einsatz im Büro geeignet, aber nicht transportabel, sie sind technisch kompliziert und daher meist sehr teuer.

Zwar gebe es inzwischen Sprachausgabe-Software, mit der man sich Texte vorlesen lassen könne, aber das sei kein vollwertiger Ersatz", ist Wolfgang Zagler überzeugt. "Lesen ist schließlich eine wichtige Kulturtechnik, es ist unverzichtbar, dass blinde Menschen auch in Zukunft mit der Braille-Schrift vertraut sind. Wir wollen einen Beitrag dafür leisten, dass die Braille-Schrift den Schritt ins Zeitalter der mobilen Computer schafft."

Die Lösung: Ein beweglicher Ring
Gemeinsam mit Michael Treml und Dominik Busse, zwei seiner ehemaligen Studenten, entwickelte Wolfgang Zagler eine völlig neue Idee: Die Blindenschrift soll nicht mehr auf einer unbeweglichen Zeile angezeigt werden. Stattdessen tastet man das Innere eines drehbaren Rings ab. "Ähnlich wie eine Computermaus kann man den Ring anfassen und über die Tischoberfläche ziehen", erklärt Zagler. "Der Zeigefinger befindet sich dabei im Inneren des Ringes, und dort ertastet man die Buchstaben, die bei jeder Umdrehung des Rings neu gebildet werden. So entsteht beim Lesen der Eindruck einer unendlich langen Zeile."

Die sechs tastbaren Punkte, aus denen in der Braille-Schrift jeder Buchstabe aufgebaut ist, wurden in drei Zweiergruppen zerlegt. "Für jede Zweiergruppe gibt es vier Möglichkeiten: Zwei Punkte, ein Punkt links, ein Punkt rechts, oder gar kein Punkt", erklärt Wolfgang Zagler. "Diese vier Möglichkeiten werden auf den vier Seiten eines Quaders aufgebracht. Während sich diese Quader auf der Innenseite des Rings im Kreis bewegen, können sie nach Belieben verdreht werden, sodass für den nächsten Ablesevorgang aus drei Quadern der gewünschte Buchstabe angezeigt wird."

Einfacher, portabler und preisgünstiger
Dieser einfache Ansatz - die Drehung von Quadern - ist viel einfacher zu realisieren als die Anzeige von Braille-Buchstaben durch bewegliche Stifte. Dadurch wird das Display robust und wenig fehleranfällig. Durch die ringförmige Konstruktion ist eine kompakte Bauweise möglich, und man kann das Gerät problemlos mit sich tragen.

"Das Konzept ist bereits patentiert, wir bereiten derzeit eine Firmengründung vor", sagt Zagler. "Einige wichtige Fragen sind noch zu klären - etwa, welche Materialien man am besten wählt, wie man Aktuatoren mit möglichst geringem Stromverbrauch einsetzt und welche ergonomischen und haptischen Eigenschaften am angenehmsten sind. Doch all das sollte sich in den nächsten Monaten beantworten lassen."

Der Preis des fertigen Geräts steht noch nicht fest, das Tetragon-Display soll aber deutlich billiger werden als bisher verfügbare Produkte: "Wir wollen das Display um den Preis eines Smartphones anbieten - da sind wir sehr zuversichtlich", so Zagler.

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