Tauschexperiment

Wiener Forscher: Kakadus zeigen Selbstbeherrschung

Wissenschaft
13.03.2013 10:31
Die Fähigkeit, auf etwas Attraktives zugunsten von etwas noch Attraktiverem bewusst zu verzichten, gilt in den Kognitionswissenschaften als sehr anspruchsvolle Leistung. Dass auch Goffin-Kakadus bis zu 80 Sekunden auf Nahrung, die sie bereits im Schnabel halten, verzichten können, wenn ihnen dafür dann ihre Lieblingsspeise winkt, haben nun Forscher der Universität Wien erstmals zeigen können.

Für ihre Studie ließen sich die Forscher um die Leiterin des "Goffin Lab" am Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien, Alice Auersperg, von dem klassischen "Marshmallow-Experiment" des Persönlichkeitspsychologen Walter Mischel inspirieren. Der mit seiner Familie 1938 von den Nazis aus Wien vertriebene US-Forscher hatte 1972 Kleinkinder mit einem Marshmallow allein in einem Zimmer gelassen und ihr Verhalten beobachtet.

Den Kindern wurde vorher in Aussicht gestellt, dass der Versuchsleiter in einigen Minuten einen zweiten Marshmallow bringen würde, wenn sie den ersten nach Ablauf der Zeit noch nicht gegessen hatten. In Langzeitstudien zeigte Mischel, dass jene Kinder, die sich für das Warten entschieden, mehr Erfolg im Erwachsenenleben hatten als jene, die die Süßigkeit sofort verspeisten.

"Marshmallow-Experiment" für Vögel adaptiert
Die Wiener Biologen adaptierten nun diese Vorgehensweise für die Kakadus. "Den Tieren wurde ein Stück Futter angeboten, das sie in den Schnabel nehmen sollten. Sie hatten die Gelegenheit, dieses Futter nach einem länger werdenden Zeitintervall direkt in die Hand des Forschers zurückzugeben. Wenn es bis dahin noch nicht angeknabbert war, bekam der Vogel dafür entweder anderes Futter, das er noch lieber hatte als das erste, oder eine größere Menge des ersten Futters", erklärte Versuchsleiterin Isabelle Laumer.

"Obwohl wir als erstes Futter Pecannüsse verwendeten – die die Tiere sehr gerne mögen und normalerweise sofort essen würden –, haben in diesem Versuch alle 14 Vögel bis zu 80 Sekunden gewartet, um dadurch noch besseres Futter, etwa Cashewnüsse, zu bekommen", so die Forscherin. Das sei bemerkenswert, da diese Fähigkeit nicht nur direkte Impulskontrolle voraussetzt, sondern auch die Fähigkeit, den zukünftigen Gewinn mit dem Einsatz, der durch das Warten entsteht, zu vergleichen und zu bewerten. Außerdem muss die Vertrauenswürdigkeit desjenigen eingeschätzt werden, der die Belohnung vergibt.

Bisher nur bei Menschenaffen und Hunden beobachtet
Im Tierreich konnten solche Verhaltensweisen, die als Vorgänger wirtschaftlicher Entscheidungskompetenz betrachtet werden, bisher nur bei großen Menschenaffen und bei Hunden beobachtet werden. Bei Hunden handle es sich dabei aber vermutlich um einen "Domestikationseffekt", so Auersperg. Nur wenige Tiere können also auf den sofortigen Verzehr von Futter für mehr als eine Minute verzichten, um damit "besseres" Futter als Belohnung zu erlangen.

"Wir haben jetzt erst bei zwei Vogelspezies überhaupt Selbstbeherrschung gefunden, nämlich bei Raben und Krähen und bei den Kakadus", so Auersperg über die im Fachjournal "Biology Letters" veröffentlichten Ergebnisse. Dass Krähen diese Fähigkeit entwickelt haben, ließe sich möglicherweise damit erklären, dass sie ihr Futter vor anderen Tieren verstecken. Umso überraschender ist diese Entdeckung nun bei Kakadus, da es sich bei ihnen nicht um "Futterverstecker" handelt.

Weitere Untersuchungen geplant
Dass die Vögel vor allem auf Futter besserer Qualität warten, könnte daran liegen, "dass man als Vogel nur mit einer bestimmten Menge Futter davonfliegen kann", wie die Forscherin erklärte. In weiteren Studien wolle man nun herausfinden, "was die Kakadus genau können". Im November des Vorjahres machten Auersperg und ihre Kollegen bereits mit der Beobachtung auf sich aufmerksam, dass Goffin-Kakadus hölzerne Werkzeuge anfertigen und dazu benutzen, Spielzeug oder Futter an sich heranzuholen (siehe Infobox).

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